„Großer Wurf“ für mehr Klimaschutz
ahe Brüssel
Die in den europäischen Emissionshandel einbezogenen Wirtschaftssektoren müssen ihren CO2-Ausstoß bis 2030 im Vergleich zu 2005 deutlich stärker drücken als bisher. Die EU-Gesetzgeber vereinbarten eine Senkung von 62% (bisher: 40%). Bis 2030 werden der Industrie daher fast die Hälfte ihrer kostenfreien Emissionszertifikate gestrichen. Ab 2034 wird es gar keine freien Zuteilungen mehr geben. Auch der Schiffverkehr wird in den Emissionshandel einbezogen. Ab 2027 wird es zugleich ein zweites Emissionshandelssystem für Gebäude und Verkehr geben. Und bereits 2026 geht ein neuer Klima-Sozialfonds mit einem Volumen von 86,7 Mrd. Euro an den Start, über den Investitionen in die Klimawende und zur Senkung der Energiekosten privater Haushalte finanziert werden.
Der zuständige Verhandlungsführer des EU-Parlaments, Peter Liese (CDU), sprach von einem „Kompromisspaket für das größte Klimaschutzgesetz aller Zeiten“. Der Emissionshandel werde damit 25-mal mehr dazu beitragen, dass die EU ihre 2030-Klimaziele erreiche, als die umstrittene Gesetzgebung zum Verbrennerverbot, betonte Liese. „Das ist ein riesiger Beitrag für den Klimaschutz zu minimalen Preisen.“
Die Reform des Emissionshandels ist eine der zentralen Säulen des großen EU-Klimapakets „Fit for 55“. Der tschechische Umweltminister Marian Jurecka, der für die Mitgliedstaaten die Verhandlungen leitete, sprach von einem „Sieg für das Klima und für die europäische Klimapolitik“. Die EU spiele damit bei der Bekämpfung des Klimawandels weltweit eine Vorreiterrolle.
Lob kam auch vom Institut für Weltwirtschaft (IfW Kiel): „Der EU gelingt ein großer Wurf für effiziente Klimapolitik“, erklärt Wilfried Rickels, dortiger Direktor Global Commons und Klimapolitik. Anders als ihr amerikanischer Partner setze die EU auf eine marktbasierte Lösung durch Emissionshandel, der dafür steht, dort die Emissionen zu vermeiden, wo es am günstigsten ist.
Neues ETS ab 2027
Umweltverbände zeigten sich kritischer: Die Einigung steigere zwar die Ambitionen in der Klimapolitik, entspreche aber immer noch nicht dem 1,5-Grad-Ziel, hieß es von verschiedenen Seiten. Zudem komme das Ende der kostenlosen Zertifikate viel zu spät. Aus der Industrie kommt ebenfalls Kritik. Die Wirtschaftsvereinigung Stahl moniert insbesondere die fehlende Lösung für Exporte, die zu Planungsunsicherheit für die Industrie in der Transformation führe. Eine solche Lösung brauche es aber, um Wettbewerbsnachteile auf Drittmärkten zu vermeiden.
Um das neue Senkungsziel von 62% bis 2030 zu erreichen, wird die EU-weite Menge an Zertifikaten einmalig um 90 Mill. Tonnen (t) CO2-Äquivalente im Jahr 2024 verringert sowie um weitere 27 Mill. t zwei Jahre später – in Kombination mit einer jährlichen Verringerung der Zertifikate um 4,3% (beziehungsweise 4,4% in den Jahren 2028 bis 2030). 2026 werden lediglich 2,5% der kostenlosen Zertifikate gestrichen. Die Zahl steigt dann jährlich immer weiter an, so dass es 2030 schon 48,5% sind, 2032 dann 73,5% und 2034 schließlich 100%.
Der neue CO2-Grenzausgleich (Carbon Border Adjustment Mechanism, CBAM), der Einfuhren von Eisen und Stahl, Strom, Düngemitteln, Zement und Wasserstoff trifft, wird in demselben Tempo eingeführt, wie die kostenlosen Zertifikate auslaufen: Start ist also das Jahr 2026, und 2034 wird CBAM dann vollständig eingeführt sein.
Eine Verständigung gab es auch für die Einführung des umstrittenen zweiten Emissionshandelssystems (ETS) für den Straßenverkehr und für Gebäude. Das neue System kommt 2027, also ein Jahr später als von der EU-Kommission vorgeschlagen. Der Klima-Sozialfonds kommt schon ein Jahr zuvor. Für private Haushalte wurden zugleich einige Sicherheitsanker vereinbart: So soll der Preis im ETS II bis 2030 nicht über 45 Euro/t steigen. Bis zu 20 Mill. Zertifikate stehen zusätzlich bereit, um den Preis notfalls zu stabilisieren. Ein zusätzlicher Notbremse-Mechanismus könnte bei zu hohen Energiepreisen zudem dazu führen, dass die ETS-II-Einführung doch noch auf das Jahr 2028 verschoben wird.
Rat und Parlament haben sich darauf geeinigt, die Emissionen des Seeverkehrs in den Anwendungsbereich des EU-Emissionshandelssystems aufzunehmen – ab 2024 schrittweise und ab 2026 dann vollständig. Dies betrifft alle Schifffahrtsemissionen innerhalb der EU und 50% der Emissionen von Fahrten, die von Nicht-EU-Häfen aus in EU-Häfen ankommen.
Bis Mitte 2026 soll die EU-Kommission zudem einen Gesetzesvorschlag vorlegen, um auch die Abfallverbrennung in den Emissionshandel aufzunehmen. Die EU-Gesetzgeber streben eine Einbeziehung ab dem Jahr 2028 an.
Wertberichtigt Seite 2