Ausblick

Jahr der Hoffnungen für die Finanzmärkte

Die Finanzmärkte gehen mit vielfältigen Unwägbarkeiten ins neue Jahr. Gerade im Anleihebereich besteht immerhin Anlass zur Hoffnung. Denn Staatsanleihen bieten wieder Kupons.

Jahr der Hoffnungen für die Finanzmärkte

Das Jahr 2022 wird in die Geschichte als ein Jahr eingehen, von dem man sich so gerne verabschiedet hat wie von kaum einem anderen. Es war vor allem von dem entsetzlichen Krieg in der Ukraine geprägt, durch den sich auch die Hoffnung zerschlug, dass sich in der Weltwirtschaft nach den ökonomischen Verwerfungen durch die Pandemie, die etwa in den globalen Lieferketten deutlich zu spüren waren, wieder normalere Verhältnisse einstellen würden. Das Gegenteil ist eingetreten, denn es kam zum Inflationsschock und in der Folge zum Zinsschock. Die höchsten Inflationsraten seit den 1970er Jahren haben die Zentralbanken weltweit unter starken Druck gesetzt, die Leitzinsen wurden mit im historischen Vergleich außergewöhnlich hohem Tempo und in einem seit den 1980er Jahren nicht mehr gesehenen Ausmaß angehoben.

Auch aus Sicht der Anleger wird das alte Jahr in sehr schlechter Erinnerung bleiben. Eine weitere außergewöhnliche Entwicklung war nämlich, dass beide große Assetklassen, Aktien und Anleihen, simultan in die Knie gingen. Festverzinsliche Wertpapiere konnten dadurch ihrer Ab­federungsfunktion nicht nachkommen, nicht zuletzt weil durch das Niedrig- beziehungsweise Negativzinsumfeld der zurückliegenden Jahre keine Kupons vorhanden waren, die einen auch nur einigermaßen hinreichenden Puffer gegen Kursverluste hätten bieten können. Zehnjährige Bundesanleihen, unter normalen Umständen eine der sichersten Anlagen, haben im alten Jahr, gemessen am Index RexP10, einen herben Verlust von 17 % eingefahren.

Nach den Verwerfungen durch die Corona-Pandemie und den Krieg sowie den Verlusten, die die Anleger hinnehmen mussten, könnte nun die Hoffnung bestehen, dass es 2023 nicht schlimmer werden kann, vielleicht sogar ein einigermaßen gutes Investmentjahr bevorsteht. Jedoch werden sich auch die kommenden zwölf Monate schwierig gestalten. So besteht derzeit leider kaum Hoffnung auf ein Ende des Ukraine-Kriegs. Hinzu kommen weitere Unwägbarkeiten, darunter nicht zuletzt das Ausmaß der wirtschaftlichen Abschwächung. Die Chancen auf eine milde Rezession haben sich verbessert, unter anderem weil die Preise der Energierohstoffe sich deutlich reduziert haben. Andererseits sind von niedrigeren Inflationsraten geschürte Hoffnungen, was den Zinserhöhungszyklus und erste Senkungen des US-Leitsatzes im Verlauf des neuen Jahres betrifft, zuletzt gedämpft worden. Die amerikanischen Währungshüter und die Europäische Zentralbank haben deutlich zu verstehen gegeben, dass die Eindämmung der Inflation nach wie vor oberste Priorität hat und die Leitzinsen weiter angehoben werden, wenn auch mit vermindertem Tempo. Die Zinsen werden somit weiter steigen und länger auf erhöhtem Niveau verharren, als zuvor angenommen worden ist.

Es verwundert angesichts dieser Gemengelage kaum, dass die Prognosen der Experten für die Aktienmärkte eine sehr große Bandbreite aufweisen. Viele Häuser sind zuversichtlich, dass im kommenden Jahr moderat positive Anlageerträge erzielt werden können. Es gibt aber auch Institute, die befürchten, dass es nach der starken Erholung des Schlussquartals zunächst zu Rückschlägen kommen wird und auch die Tiefs des alten Jahres getestet werden. Letztlich ist dies Ausdruck des mit so vielen Unsicherheiten behafteten Umfelds und ein Indiz dafür, dass den Aktienmärkten wahrscheinlich noch erhebliche Schwankungen bevorstehen.

Zunächst weiter steigende Leitzinsen bedeuten auch für die Anleihemärkte eine vorerst schwierig bleibende Wegstrecke. Allerdings kann gerade im festverzinslichen Bereich hoffnungsvoll in das neue Jahr geblickt werden. Positiv aus Sicht der Anleger ist das Comeback der Zinsen, das Ende der Null- und Negativzinsen. Staatsanleihen bieten wieder Kupons und damit wieder Puffer gegen etwaige Kursrückgänge, und Spread-Produkte wie etwa Investment-Grade-Unternehmensanleihen und Peripheriestaatstitel bieten wieder bis zu einem gewissen Grad Risikokompensation.

Unter den veränderten Voraussetzungen werfen Staatstitel, gerade auch im Euroraum, nicht nur wieder Zinsen ab. Sie können außerdem in gemischten Portfolios ihre Abfederungsfunktion wieder besser erfüllen. Das wird umso mehr der Fall sein, wenn sich ihre Verzinsungen im neuen Jahr vermutlich noch etwas weiter erhöhen werden. Halter von Mischfonds können sich somit durchaus berechtigte Hoffnungen machen, dass ihnen 2023 ähnlich miserable Ergebnisse erspart bleiben wie im zurückliegenden Jahr.

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