Konjunkturtableau

Mauer Privatkonsum drückt Wirtschaft in Rezession

Vor allem der nachlassende private Konsum wird die deutsche Wirtschaft in die Rezession gleiten lassen, wie das Konjunkturtableau von Börsen-Zeitung und ZEW zeigt. Die Wirtschaftsweisen erwarten aber nur ein schmales Minus.

Mauer Privatkonsum drückt Wirtschaft in Rezession

Von Alexandra Baude, Frankfurt

Zum Jahresende hin trüben sich die Aussichten für die deutsche Wirtschaft immer weiter ein. Die Stimmung in Unternehmen und bei Verbrauchern ist auf oder nahe von Rekordtiefs und die Rahmenbedingungen bleiben schwierig. Der nachlassende Privatkonsum führt die Wirtschaft in die Rezession; die Frage ist nur, wie tief und lang sie ausfallen wird. Am heutigen Mittwoch folgt das Jahresgutachten des Sachverständigenrats: Insidern zufolge zeigen sich die fünf Wirtschaftsweisen etwas optimistischer als die Bundesregierung. Gleichwohl erwarten sie für das nächste Jahr ein Schrumpfen der Wirtschaft bei höherer Inflation als zuletzt vorausgesagt. Ein ähnliches Bild zeigt auch das aktuelle Konjunkturtableau der Börsen-Zeitung und des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW).

Reuters zufolge erwarten die Wirtschaftsweisen für das laufende Jahr ein Wachstum von 1,7 (zuvor: 1,8)%. 2023 dürfte das Bruttoinlandsprodukt (BIP) dann um 0,2% schrumpfen. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck avisierte hingegen ein Wachstum von 1,4% bzw. ein Minus von 0,3%. Die Inflationsrate dürfte laut der Projektion der Wirtschaftsweisen im Jahresschnitt 2022 bei 8,0% liegen und auch im kommenden Jahr hoch bleiben. Zudem rate der Sachverständigenrat der Bundesregierung angesichts der teuren Maßnahmen im Kampf gegen die Energiekrise zu höheren Steuern. Der Spitzensteuersatz solle angehoben oder alternativ ein Energie-Soli für Besserverdienende verlangt werden. Die Regierungspakete gegen die Inflation, die vor allem Menschen mit wenig Geld treffe, würden so sozialer und bezahlbarer.

Im dritten Quartal noch hatte vor allem der private Konsum zu dem unerwarteten BIP-Plus von 0,3% beigetragen. Nachdem die hohe Inflation aber an der Kaufkraft der Verbraucher zehrt, ist von dieser Seite kein Schub mehr zu erwarten. Diese Schwäche kommt auch im Konjunkturtableau zum Ausdruck: Der private Konsum soll im Jahresdurchschnitt 2023 um 1,3% zurückgehen und damit wesentlich zum Rückgang des realen BIP beitragen, das nun mit −0,6% erwartet wird – nach zuvor −0,4%. Auch die privaten Investitionen (+0,2%) nehmen kaum noch zu. Der Staatskonsum, der in diesem Jahr noch erheblich zum Wachstum beigetragen hat, soll 2023 stagnieren und „fiele damit als Wachstumsfaktor ebenfalls aus“, mahnt ZEW-Experte Michael Schröder. Die Inflationsprognose für 2023 hoben die Experten von 5,0% auf 6,9% an. Für das Eurogebiet sehen die Prognosen Schröder zufolge „tendenziell ähnlich aus“.

Fachkräftemangel existenziell

Als unterstützendes Element der Wirtschaft wird von Ökonomen unisono der immer noch robuste Jobmarkt gelobt – auch wenn sich im jüngsten Bericht der Bundesagentur für Arbeit erste Schwächesignale gezeigt haben. „Positiv ist, dass keine Wende am Arbeitsmarkt gesehen wird“, kommentiert ZEW-Experte Schröder die mit 5,5% avisierte Medianprognose der Arbeitslosenquote. Derzeit liegt sie bei 5,3%. Die steigende Kurzarbeit zeigt, dass die Unternehmen aktuell alles versuchen, ihre Arbeitnehmer zu halten. Eine Umfrage des Instituts für Mittelstandsforschung (IfM) unter mehr als 1000 Führungskräften etwa hat ergeben, dass der Fachkräftemangel mit die größte Herausforderung für mittelständische Unternehmen ist. 36,6% der Befragten waren dieser Ansicht. Auf den Plätzen dahinter folgen die Themen Klimawandel und Nachhaltigkeit (28,2%) sowie Energieversorgung und -sicherheit (22,9%). „Im Laufe unserer Befragung haben die Themen ‚Energiekrise‘ und ‚Inflation‘ zwar deutlich an Beachtung bei den Führungskräften gewonnen. Gleichwohl blieb die ganze Zeit über der Fachkräftemangel/demografische Wandel die Herausforderung, die sie am meisten bewegt“, erklärte Studienleiterin Annette Icks. „Für einen Teil von ihnen ist diese Aufgabe offenkundig angesichts der digitalen Transformation und des Umbaus zu einer klimaneutralen Wirtschaft bereits zur existenziellen Frage geworden“.

Die Beschäftigungserwartungen der kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) lassen allerdings gemessen am KfW-Ifo-Mittelstandsbarometer seit einigen Monaten deutlich nach. Insgesamt bewegte sich das Geschäftsklima im Oktober seitwärts, allerdings auf niedrigem Niveau. Während die aktuelle Lage erneut deutlich schwächer als im Vormonat beurteilt wurde, fielen die Geschäftserwartungen etwas weniger pessimistisch aus. Den markantesten Rückgang des Klimas zeigte das Bauhauptgewerbe: Bei dieser besonders zinssensiblen Branche dürfte sich vor allem die rapide Zinswende der Europäischen Zentralbank (EZB) bemerkbar machen, auch wenn schon laufende und fest geplante Bauprojekte einen harten Absturz verhindern dürften, betonte die KfW.

Konjunkturtableau Deutschland
2.Quartal3. QuartalPrognose 2022Prognose 2023
 2020202120222022TiefMedianHochTiefMedianHoch
Volkswirtschaftliche Daten
Bruttoinlandsprodukt 1−4,92,80,10,3*1,11,51,8−1,9−0,60,8
Privatkonsum 1−5,90,00,8 1,94,04,5−3,3−1,31,6
Staatskonsum 13,53,42,3 0,73,34,6−1,70,03,1
Anlageinvestitionen 1−2,21,3−1,3 −0,60,00,8−0,70,20,9
Exporte 1−9,39,40,3 0,11,72,6−2,01,94,0
Importe 1−8,68,61,6 −2,35,36,6−2,01,74,6
letzter Wert
Verbraucherpreise 20,53,110,4 (Oktober)7,38,18,73,56,99,5
Arbeitslosenquote 35,95,75,3 (Oktober)5,15,35,35,35,55,8
Zinsen und Zinsdifferenzen
3-Monats-Geld 3−0,43−0,551,73−0,32,22,51,62,73,1
10-jährige Anleihen 3−0,51−0,372,231,62,22,51,42,12,4
USA/Eurozone, langfristig 3, 414018119411017018090150200
USA/Eurozone, kurzfristig 3, 41087121121023031085158270
Eurozone lang/kurz 3, 4-81850−600200−130−60138
Redaktionsschluss: 4. November , Tagesdaten vom 3. November 1) real gegen Vorjahr bzw. Vorquartal in %; 2) gegen Vorjahr in %; 3) Werte für 2020 und 2021 sind Jahresdurchschnitte. letzter Wert der Zinsen und Zinsdifferenzen sind Stände vom Vortag; 4) in Basispunkten; *) vorläufige Schätzung
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