TLTRO-Geschäfte

Qual der Wahl für die EZB im Umgang mit den Banken

Mit der zu erwartenden Zinserhöhung wächst der Druck auf die EZB, die Zinsgewinne in Milliardenhöhe aus Krisenhilfen zu kappen. Mehrere Optionen liegen auf dem Tisch – doch alle haben ihre Nachteile.

Qual der Wahl für die EZB im Umgang mit den Banken

rec Frankfurt

Wenn die führenden Notenbanker der Eurozone diesen Mittwoch zu ihren zweitägigen Beratungen in Frankfurt zusammenkommen, haben sie eine schwierige Wahl zu treffen: Sie müssen einen Weg finden, die Banken zur Kasse zu bitten. Die Europäische Zentralbank (EZB) hat ihnen auf Jahre nahezu kostenlos Unmengen an Zentralbankgeld zugesichert – als Krisenhilfe. Je stärker die EZB nun aber die Zinsen im Kampf gegen die Inflation anhebt, umso mehr wird diese Erblast aus der Coronakrise zum Verhängnis. Mehrere Optionen liegen auf dem Tisch. Klar ist nur: Es muss etwas passieren. Die Zeit drängt.

Eine Zinserhöhung um weitere 75 Basispunkte am Donnerstag gilt als ausgemachte Sache. Der für Banken entscheidende Leitzins – der Einlagensatz – steigt somit voraussichtlich auf 1,5%. Bis zum Beginn der Zinswende im Juli war er noch negativ. So rasant Zinsen und Zinsprognosen in Euroland seit Monaten steigen, so hoch summieren sich die Extragewinne der Banken aus den speziellen Refinanzierungsgeschäften namens TLTRO. Diese De-facto-Subventionen geraten nun in den Fokus.

Mehr als 2 Bill. Euro Überschussliquidität aus diesen Geschäften sind im Umlauf. Mit circa 27 bis 28 Mrd. Euro risikoloser Zinsgewinne können teilnehmende Banken inzwischen rechnen, schätzt die US-Großbank Morgan Stanley (siehe Grafik). Die Konkurrenten von Citi kommen auf rund 70 Mrd. Euro netto jährlich, falls der EZB-Einlagensatz bis Jahresende auf 2% steigt – was nach gegenwärtigem Stand wahrscheinlich ist. Die Summen verdeutlichen den Handlungsdruck für den EZB-Rat, eine Lösung zu präsentieren.

Nur: Was kann die EZB tun? Sie könnte eine zusätzliche Sonderzinsperiode zu teureren Konditionen einführen. Die Idee: Banken bekommen ihre TLTRO-Geschäfte nicht mehr oder allenfalls geringfügig vergütet. „Aus Sicht der reinen Lehre wäre das zu bevorzugen“, sagt Jens Eisenschmidt, Europa-Chefvolkswirt von Morgan Stanley und davor lange in Diensten der EZB. „Denn so würde man das Problem dort lösen, wo es entsteht.“

Doch es gibt rechtliche Bedenken. Denn es ist unklar, ob alle Banken es klaglos hinnehmen, wenn die EZB nachträglich die Geschäftsbedingungen für die auf Jahre angelegten Refinanzierungsoperationen ändert. Dies gilt umso mehr, falls die EZB die Vergütung rückwirkend kappt – beispielsweise ab dem Zeitpunkt der ersten Leitzinserhöhung im Juli.

Im EZB-Rat ist man sich der Problematik offenbar bewusst. Man gehe jedoch davon aus, dass dieses Problem lösbar ist, da die Überlegungen, die den TLTROs zugrunde liegen, hinfällig geworden seien, berichtet die Nachrichtenagentur Bloomberg mit Verweis auf informierte Kreise. Die EZB hatte die Refinanzierungsgeschäfte 2020 in Reaktion auf wirtschaftliche Verwerfungen wegen der Pandemie aufgelegt. Das Ziel: Banken sollten während der Coronakrise unvermindert Kredite an Unternehmen ausreichen, um die Wirtschaft zu stabilisieren (siehe Infokasten).

Für DekaBank-Ökonom Kristian Tödtmann ist allerdings „schwer vorstellbar, dass die EZB die seinerzeit angekündigten Konditionen der TLTROs vor deren Fälligkeit zum Nachteil der Banken anpasst“. Die Experten von Morgan Stanley warnen vor Glaubwürdigkeitsproblemen, falls die EZB künftig wieder einmal TLTRO-Geschäfte auflegt.

Aufgrund solcher Nachteile kommen Optionen ins Spiel, die nicht direkt an den Sonderkonditionen für TLTRO-Geschäfte ansetzen. Eisenschmidt schlägt vor, die Bestände an Überschussliquidität teilweise geringer zu vergüten. Das liefe auf eine Art Staffelzins für Einlagen bei der Notenbank hinaus. Insgesamt stecken laut EZB aktuell circa 4,6 Bill. Euro Überschussliquidität im System. Wegen der schieren Größenordnung ist allerdings kaum vorhersehbar, wie die Geldmärkte reagieren.

Als dritte Option kursiert, höhere Mindestreserven von den Banken einzufordern und diese niedriger zu verzinsen. „Das könnte eine pragmatische Lösung sein“, sagt Eisenschmidt. Allerdings wäre diese Lösung am wenigsten zielgenau: Eine pauschale Erhöhung der Mindestreserven beträfe sämtliche Banken – auch jene, die TLTRO-Mittel nicht oder nur in geringem Umfang in Anspruch genommen haben. Die Ökonomen der Citibank sinnieren darüber, Banken Sonderreserven proportional zur Höhe ihrer ausstehenden TLTRO-Mittel aufzuerlegen – halten das aber selbst nicht für sonderlich effektiv.

Deutsche und französische Banken haben TLTRO absolut am stärksten in Anspruch genommen. Proportional gesehen profitieren hingegen italienische und spanische Banken am meisten. Wie auch immer der EZB-Rat entscheidet: Er wird es kaum allen recht machen können.

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