„Energy-Only-Markt“

Strommarkt­design wird reformiert

Als mitverantwortlich für die Übertragung der hohen Gaspreise auf den Strommarkt gilt das Strommarktdesign. Der „Energy-Only-Markt“ vergütet nur den tatsächlich erzeugten Strom. Bezahlt werden müsste aber auch bereits die Bereitschaft zur Stromerzeugung. Das fordern jetzt Investoren und Industrie.

Strommarkt­design wird reformiert

cru Frankfurt

Russlands Krieg in der Ukraine und das Abdrehen des Gashahns durch den Kreml haben die Energiekrise verursacht. Als mitverantwortlich für das Überschwappen der hohen Gaspreise auf den Strommarkt gilt aber auch das Strommarktdesign. Da für die Strommenge, die benötigt wird, um die Nachfrage zu decken, zuletzt auch noch Gaskraftwerke benötigt werden, überträgt sich der Preis für den derzeit teuersten Brennstoff Gas auch auf die Preise für den eigentlich billigeren Strom aus Windrädern, Solaranlagen oder Braunkohle – ein auf anderen Märkten als normal empfundener Vorgang, der aber seit Beginn des Energiepreisschocks skandalisiert wird.

Seit der Liberalisierung der Strommärkte in den späten 1990er Jahren ist in Deutschland der „Energy-only-Markt“ als Strommarktdesign etabliert, das grundsätzlich marktwirtschaftlich nach dem Prinzip von Angebot und Nachfrage funktioniert.

Ein Energy-only-Markt vergütet indes nur die tatsächlich erzeugte Energie. Bezahlt werden müsste aber auch bereits die Bereitschaft zur Stromerzeugung. Das fordern zumindest Investoren und Industrie – angesichts der Tatsache, das der Anteil der nur schwankend zur Verfügung stehenden Erneuerbaren an der Stromerzeugung von heute 46 % bis 2050 auf 80 % steigen soll.

In einem gestern in Berlin anlässlich einer Konferenz zum Strommarktdesign veröffentlichten Papier, zu dem Experten des Maschinenbauverbands VDMA, des Erneuerbaren-Verbands BEE, des Verbands kommunaler Unternehmen (VKU), des BDI und des Energieerzeugerverbands BDEW sowie diverse Denkfabriken beigetragen haben, heißt es: „Ausschließlich Neuinvestitionen in steuerbare Kapazitäten (können) dauerhaft die Versorgungssicherheit gerade für die Zeiträume gewährleisten, in denen nicht ausreichend Sonnen- und Windstrom zur Verfügung stehen.“ Anlagen, die Strom liefern, wenn der Wind nicht weht oder die Sonne nicht scheint, „werden zunehmend zur kommenden Leitwährung im Strommarkt“.

Bei der Diskussion um angebliche Übergewinne am Strommarkt wird oft nicht berücksichtigt, dass diese hohe Anreize setzen, zum Beispiel erneuerbare Energien schnell auszubauen und damit in immer mehr Monaten des Jahres gasbasierte Stromerzeugung obsolet zu machen. Für die Neuinvestitionen – unter anderem in flexibel einsetzbare Kraftwerke mit Wasserstoff als Brennstoff – müssten laut Industrie jedoch dauerhaft und planbar ausreichende ökonomische Anreize geschaffen werden: „Aus diesem Grund muss neben dem Erlösstrom aus der reinen Stromerzeugung ein weiterer Erlösstrom für die Verfügbarkeit etabliert werden. Nur dadurch kann der ökonomische Wert von Versorgungssicherheit sichtbar gemacht und damit preislich ausgewiesen werden“, raten die Experten der „Stakeholder-Plattform Strommarktdesign“ dem Bundeswirtschaftsministerium. Das zukünftige Marktdesign dürfe außerdem einen bedarfsgerechten Netzausbau nicht behindern. An der Strommarktdesign-Plattform sind neben Industrieverbänden auch einzelne Unternehmen wie die Übertragungsnetzbetreiber Amprion und 50Hertz oder der Stromerzeuger RWE beteiligt.

Die Reform des Strommarktdesigns sollte nach ihrer Ansicht auch bewirken, dass künftig marktexterne, durch Umlagen finanzierte Segmente zur Absicherung, die in den letzten Jahren geschaffen wurden, soweit möglich wieder in den Markt reintegriert werden können. Ge­meint sind damit die Netzreserve, die Kapazitätsreserve und die Sicherheitsbereitschaft aus fossilen Kraftwerken, die nur bei wiederkehrenden Spitzenlasten oder im Notfall zum Einsatz kommen.

Die die Bundesregierung bildenden Parteien hatten in ihrem Koalitionsvertrag angekündigt, in der laufenden Legislaturperiode eine Weiterentwicklung des Strommarktdesigns, im Rahmen der Plattform „Klimaneutrales Stromsystem“ diskutieren und einleiten zu wollen. Einen konkreten Zeitplan dafür gibt es nicht. Die Investoren und Verbände aber setzen auf Tempo: „Die Zeit drängt“, heißt es in den „Impulsen und Leitplanken für die Weiterentwicklung des Strommarkts“.

BZ+
Jetzt weiterlesen mit BZ+
4 Wochen für nur 1 € testen
Zugang zu allen Premium-Artikeln
Flexible Laufzeit, monatlich kündbar.