Drittes Minus in Folge

Unerwartet trübes Ifo-Klima schürt Konjunkturpessimismus

Das Ifo-Geschäftsklima ist im Juli unerwartet zum dritten Mal in Folge gesunken. Ein Indiz, dass sich die für das zweite Halbjahr erwartete Erholung weiter verzögert und schwächer als erhofft ausfallen wird. Zumal nicht nur die aktuelle Lage, sondern auch die Aussichten schlechter bewertet werden.

Unerwartet trübes Ifo-Klima schürt Konjunkturpessimismus

Ifo-Geschäftsklima gibt Wendesignal

Unerwarteter Rückgang im Juli − Stimmungseintrübung in allen Branchen − Konjunkturpessimismus steigt

Das Ifo-Geschäftsklima ist im Juli unerwartet zum dritten Mal in Folge gesunken. Ein Indiz, dass sich die für das zweite Halbjahr erwartete Erholung weiter verzögert und schwächer als erhofft ausfallen wird. Zumal nicht nur die aktuelle Lage, sondern auch die Aussichten schlechter bewertet werden.

ba Frankfurt

Die deutsche Wirtschaft kommt zur Jahresmitte einfach nicht in Gang. Statt der erwarteten Konjunkturerholung spricht das unerwartet weiter eingetrübte Ifo-Geschäftsklima nun eher für eine Verschnaufpause, wenn nicht gar für einen weiter nach hinten verschobenen und noch schwächer verlaufenden Aufschwung. Denn schon die harten Daten zu Auftragseingang, Industrieproduktion, Außenhandel und die Stimmungsbarometer von Sentix und ZEW sowie der Einkaufsmanagerindex waren zuletzt schwach ausgefallen. Genug Futter für die Konjunkturpessimisten, die wohl bald ihre Prognosen für das Wirtschaftswachstum senken werden. Die Wachstumshoffnungen ruhen jetzt umso mehr auf den Konsumenten.

Dritter Rückgang in Folge

Im Juli ist der Ifo-Geschäftsklimaindex um 1,6 auf 87,0 Punkte gefallen. Dies ist der dritte Rückgang in Folge, was gemeinhin als Trendwende nach unten gilt. Ökonomen hatten mit einem leichten Anziehen auf 89,0 Zähler gerechnet. „Die deutsche Wirtschaft steckt in der Krise fest“, kommentierte Ifo-Präsident Clemens Fuest das Ergebnis der monatlichen Umfrage unter 9.000 Unternehmen. Die Unternehmen seien weniger zufrieden mit den laufenden Geschäften gewesen. Und mit Blick auf die kommenden Monate habe die Skepsis merklich zugenommen. Die Stimmungseintrübung zog sich durch alle Bereiche: Die Indizes für Industrie, Handel, Bau und Dienstleister gaben allesamt nach.

Ifo-Experte Klaus Wohlrabe vermag nur wenig Lichtblicke, aber keine Signale zu erkennen, „wann eine Trendwende mit positivem Schwung eintreten könne“, wie er im Reuters-Interview sagt. „Es gibt wenig Dynamik aus dem Ausland und die Konsumenten halten sich beim Einkaufen weiter zurück.“ Auch die Fußball-EM dürfte der Wirtschaft kaum nachhaltige Impulse verliehen haben. Zwar hätten sich die Umsätze im Gastgewerbe gut entwickelt, doch werde dies „wahrscheinlich ein kleines Strohfeuer bleiben“.

Hauptsorge gilt dem Neugeschäft

Im Dienstleistungssektor ist der Index nach der Erholung in den letzten Monaten wieder gesunken, im Handel − vor allem im Einzelhandel − gab der Indikator weiter nach. Zwar hat sich die vom GfK erhobene Konsumstimmung zur Jahresmitte etwas erholt, die Sparneigung allerdings ist nach wie vor hoch. Neben den höheren Einkommen brauche es mehr Planungssicherheit, damit die Verbraucher wieder größere Anschaffungen tätigen, mahnten die Nürnberger Konsumforscher.

Die größte Sorge der Unternehmen gilt dem Neugeschäft: „Das Hauptproblem der Industrie und allgemein ist die fehlende Nachfrage“, betonte Wohlrabe. „Mehr als 40% der Industriebetriebe klagen über Auftragsmangel.“ Das Industrieklima ist wegen der erheblich schlechteren Lagebeurteilung deutlich gesunken. Die Kapazitätsauslastung fiel auf 77,5% und liegt damit laut Ifo um 6 Prozentpunkte unter dem langfristigen Mittelwert.

Problemkind Europas

Ökonomen zeigten sich von den Umfrageergebnissen enttäuscht, haben aber durchaus Erklärungen für den erneuten Stimmungsrückgang. „Die schwächeren globalen Wirtschaftsaussichten, die politische Unsicherheit sowohl in Frankreich als auch in Deutschland sowie die möglichen Auswirkungen der US-Präsidentschaftswahlen auf Europa scheinen die Stimmung in der Wirtschaft zu belasten“, schreibt ING-Chefökonom Carsten Brzeski. Die Wirtschaft sei nun wieder da, wo sie vor einem halben Jahr war: das Wachstumsproblemkind der Eurozone. Zu Jahresbeginn hatten die Exporte und von der Witterung begünstigt die Bauinvestitionen zum BIP-Plus von 0,2% geführt. Im zweiten Quartal dürfte das Wachstum wieder zum Stillstand gekommen sein, wie die Daten nahelegen. Und die Stimmungsindikatoren deuten für das laufende dritte Quartal keine Besserung an.

Nächste Woche veröffentlicht Destatis eine erste Schnellmeldung zum BIP im zweiten Quartal. Es wird erwartet, dass der Konsum stärker angesprungen ist, die Investitionen dürften aber ein Bremsfaktor sein.

„Kalte Dusche“

„Die abebbende Belastung durch die zurückliegenden Zins- und Energiepreiserhöhungen schlägt sich bisher kaum in einer konjunkturellen Erholung nieder, auch weil die Unternehmen unter der jahrelangen Erosion der Standortqualität leiden“, analysiert Commerzbank-Chefökonom Jörg Krämer. Den erneuten Rückgang des Ifo-Klimas bezeichnete er als „eine kalte Dusche – zumal der Einkaufsmanagerindex für das verarbeitende Gewerbe und den Dienstleistungssektor im Juli ebenfalls deutlich gefallen ist“. Ein Abschwungsignal sieht er in den Ifo-Daten aber noch nicht, denn der Sechsmonatsdurchschnitt als verlässlicher Wendeindikator zeige noch etwas nach oben.

Für Alexander Krüger, Chefvolkswirt der Hauck Aufhäuser Lampe Privatbank, ist die Lagebeurteilung ein Desaster, die Erwartungen sprechen für eine anhaltende Konjunkturlethargie. „In dieser Gemengelage wird ein Mini-Wachstum schon ein Erfolg sein.“ Es sei längst ein Impuls überfällig, der die Stimmung auf ein nachhaltig höheres Niveau führe. Doch sei dieser vorerst weder von der Weltwirtschaft noch von der Bundesregierung in Sicht.

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