4,1
Jetzt steht also in Deutschland bei der Inflation eine 4 vor dem Komma. Ganz konkret lag die Teuerung im September bei 4,1% – der höchste Wert seit fast 28 Jahren. Und in den nächsten Monaten könnte es noch auf 5% gehen – womit jene Marke geknackt wäre, bei der laut der von der bayerischen CSU propagierten „Inflationsbremse“ die Europäische Zentralbank (EZB) „handeln muss“. Ganz so leicht wie in der Weißwurscht-Ökonomie erdacht ist es aber doch nicht.
Zunächst einmal und allem voran: Für Inflationspanik besteht aktuell kein Anlass. Vieles spricht dafür, dass zumindest die aktuellen Inflationsniveaus temporär sind und sie schon im kommenden Jahr wieder etwas sinken. Vergleiche mit den „Weimarer Verhältnissen“ der 1920er Jahre mit Hyperinflation sind da in der Tat überzogen. Richtig ist aber auch, dass künftig strukturell wieder mit mehr Inflation zu rechnen ist als in den vergangenen Jahren. Nun hat Inflation zwar auch in Deutschland einige Gewinner. Es gibt aber auch viele Verlierer, und das vor allem in der Mittelschicht. Es gilt, diese Sorgen ernst zu nehmen – und wo nötig und möglich zu handeln.
Diese Mahnung richtet sich zunächst an die EZB. Die Euro-Granden dürfen solche Ängste nicht wegwischen. Vor allem aber sollten sie das Inflationsrisiko nicht leichtfertig abtun. Die Geschichte lehrt, dass selbst eine aufgrund von Sonderfaktoren eigentlich nur vorübergehende Inflation schnell zum permanenten Problem werden kann, wenn sie nur lange genug andauert. Die EZB muss da in ihrer Kommunikation klar(er) machen, dass sie notfalls alles tun wird, das zu verhindern – und dann auch handeln. Das gilt umso mehr, als nicht nur eine straffere Geldpolitik den Aufschwung bremsen kann. Auch eine anhaltend hohe Inflation wirkt etwa über die Verunsicherung der Unternehmen und die Kaufkraftverluste der Konsumenten als mächtiger Bremsklotz für die Konjunktur.
Aber auch die Politik ist gefragt. Ökonomisch irrsinnige Vorschläge wie ein quasi automatisches Gegensteuern der EZB ab 5 oder X% Inflation à la CSU-Chef Markus Söder helfen niemandem und sind potenziell brandgefährlich. Stattdessen muss die Politik ernsthaft darüber nachdenken, wie sie notfalls Bürger und Unternehmen entlasten kann, wenn etwa wie derzeit die Gaspreise explodieren. Generell braucht es beim Übergang in die CO2-neutrale Wirtschaft mehr Fokus auf mögliche soziale Härten. Und es braucht dringend bessere Anreize für die private Altersvorsorge und eine bessere Finanz- und Vermögensbildung. Dass die Deutschen bei Inflation besonders ächzen, hat auch damit zu tun, dass sie ihr Geld sehr ineffizient anlegen.