Alternativlos
Die Zinswende in den USA ist da. Fed-Chef Jerome Powell und die Seinen haben ihren Worten Taten folgen lassen und erstmals seit Dezember 2018 ihren Leitzins erhöht. Fast auf den Tag genau zwei Jahre lang hatte er nun bei de facto null gelegen. Inmitten des Ukraine-Kriegs mag die Zinswende manchem zur Unzeit kommen; die Sorgen vor einem Abwürgen der Konjunktur nehmen zu. Die Fed hat(te) aber keine Wahl. Längst steht ihre Glaubwürdigkeit auf dem Spiel.
Dass die Fed nun ausgerechnet in Zeiten extremer Unsicherheit einen Zinserhöhungszyklus startet, ist der Preis dafür, dass sie der hohen Inflation viel zu lange zugeschaut und später geldpolitisch eher zögerlich gegengesteuert hat. Selbst als 2021 die Signale für eine hartnäckig hohe Teuerung immer eklatanter wurden, hielten die US-Notenbanker lange unbeirrt am Narrativ einer nur „vorübergehend“ hohen Inflation fest. Diese grandiose Fehleinschätzung dürfte als einer der größten Fehler der Fed-Geschichte in Erinnerung bleiben. Und nach der Kehrtwende kam die Politikwende sehr graduell. Noch im Februar, als die Verbraucherinflation mit 7,9% ein 40-Jahres-Hoch erreichte, kaufte die Fed für viele Milliarden Dollar Anleihen auf. So hat sie die ohnehin exzessive Nachfrage in den USA nur weiter befeuert.
Für die Fed geht es jetzt darum sicherzustellen, dass die Inflation nicht vollends außer Kontrolle gerät. Selbst die Kernrate ohne die viel beschworenen Energiepreise und die Lebensmittelpreise liegt bei 6,4%. Die Inflationserwartungen sind noch nicht aus dem Ruder gelaufen. Das Risiko, dass eben das passiert, ist aber hoch und steigt. Natürlich kann es helfen, wenn, wie jetzt oft gefordert, die Struktur- und Fiskalpolitik durch angebotsseitige Maßnahmen etwa Lieferengpässe überwinden oder mildern hilft. Preisstabilität bleibt aber die originäre Verantwortung der Fed. Das gilt auch und vor allem bei einem stagflationären Schock.
Wie schnell und weit die Fed nun mit den Zinserhöhungen gehen kann, hängt maßgeblich von der Entwicklung in der Ukraine ab. Die Fed muss da ohne Frage flexibel bleiben. Vieles spricht aktuell aber dafür, dass es perspektivisch mindestens in Richtung des neutralen Zinses von rund 2,5% gehen sollte. Das ist noch ein weiter Weg.
Die heikle Lage der Fed sollte auch der EZB Mahnung sein. Es bringt nichts, Inflationsgefahren auszublenden. Dann droht die spätere Kehrtwende nur umso abrupter und folglich gefährlicher zu werden. Besser ist es, nicht allzu lange zu warten und dafür einen allmählichen Ausstieg hinzubekommen. Auch im Euroraum sollte die Zinswende also nicht auf den Sankt-Nimmerleins-Tag vertagt werden.