Ampel spannt Abwehrschirm auf
wf Berlin
Nach der Sabotage an den Nord-Stream-Pipelines rechnet die Bundesregierung nicht mehr mit Gaslieferungen aus Russland. „Russland setzt Energielieferungen international als Waffe ein“, sagte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) vor der Presse in Berlin. Mit dem Sabotageakt in der Ostsee sei eine weitere Eskalationsstufe erreicht. Die Ampel aus SPD, Grünen und FDP habe sich auf einen Abwehrschirm mit Kreditermächtigungen von 200 Mrd. Euro geeinigt. Die Darlehen sollen eine Strompreis- und Gaspreisbremse finanzieren.
Scholz sprach von einem „Doppel-Wumms“, Gas- und Stromkosten für Wirtschaft und Verbraucher sollen durch die staatliche Intervention gedrückt werden. Die Ausgestaltung einer Gaspreisbremse wird aktuell von der Gaskommission beraten. Diese ist angehalten, bis Ende Oktober Vorschläge zu entwickeln. Der angekündigte Kreditrahmen bietet nach den Worten von Scholz den finanziellen Rahmen, auf dessen Basis die Kommission arbeiten kann.
Die Strompreisbremse wird derzeit im Bundeswirtschaftsministerium entwickelt. Dazu sollen Zufallsgewinne von Stromversorgern an Verbraucher und Unternehmen umverteilt werden. Aus dem Abwehrschirm können Liquidität und Zuschüsse für die Strompreisbremse finanziert werden – etwa wenn Entlastungen und die Abschöpfung von Gewinnen auseinanderfallen. Neben der Gas- und Strompreisbremse sollen auch Liquiditäts- und Eigenkapitalhilfen aus dem Abwehrschirm an Unternehmen gezahlt werden, die durch den russischen Angriffskrieg in Not geraten sind. Mitnahmeeffekte will die Regierung durch die konkrete Zweckbindung an die Kriegsfolgen vermeiden.
Gasumlage wird gestoppt
Die zum 1. Oktober etablierte Gasumlage wird nach den Worten von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) wieder gestoppt. Sein Ministerium habe die Ressortabstimmung im Umlaufverfahren in der Bundesregierung in die Wege geleitet. Die Gasumlage ist per Rechtsverordnung eingeführt worden. Daraus sollten die Mehrkosten der Gasimporteure bestritten werden, die nach dem Lieferstopp aus Russland deutlich teureres Gas am Weltmarkt beschaffen müssen. Zwölf Unternehmen hatten für ein halbes Jahr Zusatzkosten von zusammen 34 Mrd. Euro angemeldet.
Mehrwertsteuer auf Gas sinkt
Aus dem Abwehrschirm sollen nun auch die Ersatzbeschaffungskosten der Gasimporteure finanziert werden, um damit den Markt zu stabilisieren. Für die besonders betroffenen Unternehmen – Sefe, die Nachfolgerin der deutschen Gazprom-Tochter, Uniper und VNG – will die Bundesregierung maßgeschneiderte Lösungen entwickeln. Auch ohne Gasumlage hält die Bundesregierung an der geplanten Mehrwertsteuersenkung für alle Gasverbraucher fest. Ursprünglich sollte die Absenkung auf den ermäßigten Satz die Belastung aus der Gasumlage für die Verbraucher kompensieren.
Technisch wird für den Abwehrschirm der Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) reaktiviert. Aus diesem Sondervermögen hatte der Bund die staatlichen Coronahilfen per Kredit finanziert. Der WSF war dafür schon in diesem Sommer geschlossen worden. Die verbliebenen ungenutzten Kreditermächtigungen von 67 Mrd. Euro soll die KfW nutzen können, um bei der Aufnahme weiterer Kredite ihre Kapitalmarktposition zu stärken. Die KfW soll etwa die angekündigte Verstaatlichung von Uniper finanzieren, die den angeschlagenen Gasimporteur stützen soll.
Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) zeigte sich zuversichtlich, dass Gas- und Strompreisbremse auch „als eine Art Inflationsbremse“ wirken. „Wir dämpfen die Preisentwicklung, wir erhalten das Angebot und bauen Angebot aus, und zugleich gehen wir nicht in die Richtung einer expansiven Finanzpolitik“, sagte Lindner vor der Presse. An die Kapitalmärkte sende die Bundesregierung das Signal: Deutschland hält an seiner stabilitätsorientierten Finanzpolitik fest.
Lindner sprach explizit von einer Kreditaufnahme „von bis zu 200 Mrd. Euro“. Er zeigte sich hoffnungsvoll, dass der Rahmen nicht ausgeschöpft werden müsse. Die Kredite müssten getilgt werden. Lindner betonte die Zweckbindung der Mittel an Kriegsfolgen. Sie stünden nicht für allgemeine Vorhaben zur Verfügung und nicht für finanzielle Wünsche der Länder in Bezug auf das dritte Entlastungspaket. Die öffentlichen Einrichtungen der Länder profitierten von den Energiepreisbremsen. Der Bund werde die Schuldenbremse 2023 wieder einhalten, sagte Lindner.