Inflation

Appelle an EZB werden eindringlicher

Erst Privatbanken, nun Sparkassen: Deren Chefvolkswirte fordern, den Kampf gegen die Inflation zu priorisieren. Der Fokus gilt auch den großen Lohnrunden – und da gibt es eine erste Übergangslösung.

Appelle an EZB werden eindringlicher

rec Frankfurt

Vor der wegweisenden EZB-Ratssitzung in der kommenden Woche werden in Deutschland die Rufe nach einer zügigeren Zinswende lauter. Die Chefvolkswirte der Sparkassen Finanzgruppe fordern, den Kampf gegen die hohe Inflation ungeachtet der wirtschaftlichen Abschwächung infolge des Ukraine-Kriegs zu priorisieren. Noch im zweiten Halbjahr müsse die Europäische Zentralbank (EZB) mit „moderaten Leitzinserhöhungen beginnen“. An­gesichts zunehmender Sorgen vor einer Lohn-Preis-Spirale dürften Beobachter und EZB einen „Brücken-Tarifvertrag“ in der Chemiebranche aufmerksam zur Kenntnis nehmen.

Im März ist die Teuerungsrate im Euroraum laut einer Schnellschätzung des Statistikamts Eurostat auf 7,5% gesprungen. Es ist der mit Abstand höchste Wert seit Einführung des Euro 1999. Beobachter sprachen von einem „Inflationsschock“. Dieser bringt den EZB-Rat in Zugzwang, noch schneller die Anleihekäufe zurückzufahren und die Zinswende zu forcieren. Darauf dringen allen voran Vertreter deutscher Banken. Einen solchen Appell hat gerade Christian Sewing, Chef des Bankverbands BdB, bekräftigt.

Ebenso eindringlich äußern sich nun die Chefvolkswirte des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes (DSGV). In einem gemeinsamen Standpunktepapier appellieren sie an die EZB zu verhindern, dass sich die Inflation verfestigt. Dafür müsse sie „möglichst im Sommer“ die Nettoanleihekäufe beenden. Bis Jahresende müsse der Einlagesatz für Banken „zumindest auf 0%“ steigen. Er liegt derzeit bei −0,5%.

Letzteres hatte im Interview der Börsen-Zeitung kürzlich auch Österreichs Notenbankchef Robert Holzmann gefordert. Im EZB-Rat deutet sich darüber eine Kontroverse an: Während Bundesbankchef Joachim Nagel wegen der jüngsten Inflationsdaten zur Eile drängte, warnte EZB-Chefvolkswirt Philip Lane vor Schnellschüssen. Über das Wochenende empfahl EZB-Direktorin Isabel Schnabel, den im März eingeschlagenen Kurs der Normalisierung fortzusetzen. „Es ist immer noch vernünftig anzunehmen, dass ein Teil der gegenwärtig erhöhten Inflation im Laufe der Zeit auch ohne geldpolitische Maßnahmen verschwinden wird“, sagte Schnabel. „Ein beträchtlicher Teil der Inflation dürfte sich jedoch als hartnäckiger erweisen.“

Ulrich Kater, Chefvolkswirt der DekaBank, mahnt: „Die Inflation im Euroraum droht zum Selbstläufer zu werden.“ Bis in den Herbst seien Raten über 7% zu erwarten (siehe Grafik). Trotz unbefriedigender realwirtschaftlicher Entwicklungen müsse das Thema Priorität haben. „Höhere Lohnforderungen und damit der Beginn einer Lohn-Preis-Spirale sind nicht mehr auszuschließen.“

EZB-Vize Luis de Guindos hatte kürzlich darauf hingewiesen, dass in einigen Monaten große Tarifrunden anstehen. In der deutschen Chemie- und Pharmabranche haben sich die Tarifpartner auf eine Übergangslösung für circa 580000 Beschäftigte geeinigt. Diese sieht eine Einmalzahlung von 1400 Euro als Kompensation stark gestiegener Energiepreise vor. Weiterführende Verhandlungen haben sie auf Oktober verschoben. Es ist der erste Teilabschluss in einer großen Flächentarifrunde 2022.

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