Bereit machen zum Abheben
Von Stefan Reccius, Frankfurt
Die Industrie im Euroraum und speziell in Deutschland schickt sich an, mit einem in dieser Form ungeahnten Höhenflug die anschwellende dritte Coronaviruswelle mit Leichtigkeit zu überwinden. Darauf deuten einhellig die jüngsten Frühindikatoren hin, die in den Tagen nach Ostern durch Daten zum Auftragseingang ergänzt werden. Die am Donnerstag zur Veröffentlichung anstehenden Zahlen der deutschen Unternehmen dürften zeigen, dass sich insbesondere die Bestellungen aus dem Ausland nach starken Werten zu Beginn des Jahres weiter von ihrem Vorkrisenniveau abgesetzt haben.
Darauf lassen zumindest die kurz vor Ostern veröffentlichten Einkaufsmanagerindizes (PMIs) schließen. Ungeachtet stark steigender Infektionszahlen verbreiteten Einkaufsmanager der Industrie quer durch die Eurozone eine nochmals verbesserte Stimmung. Im März stieg das Barometer des Daten-Dienstleisters IHS Markit ausweislich der zweiten Erhebungsrunde um 4,6 Punkte auf 62,5 Zähler. Das ist der höchste je gemessene Wert seit Aufnahme der monatlichen Umfragen vor 24 Jahren. Die erste Schätzung revidierte IHS Markit leicht nach oben.
Die Industrie der Eurozone boome, sagte Markit-Chefökonom Chris Williamson. Zugleich verwies er auf Lieferengpässe, weshalb die Einkaufspreise stark anzögen. Durch die Havarie im Suezkanal hat sich die Situation verschärft: Der Rückstau Hunderter Frachtschiffe löste sich gegen Ende der Woche zwar auf, doch die fast einwöchige Blockade hat das Angebot an zurzeit ohnehin raren und teuren Hochseecontainern weiter verknappt. Das dürften deutsche Exporteure in den nächsten Wochen zu spüren bekommen.
Einstweilen ist die Stimmung in der deutschen Industrie blendend. Der Einkaufsmanagerindex stieg auf 66,6 Punkte. Einen höheren Wert hat IHS Markit nach eigenen Angaben in der knapp 25-jährigen Geschichte der Firmenbefragung nie gemessen. Nach 60,7 Punkten im Februar hat sich das Barometer somit noch sehr viel deutlicher von der Wachstumsschwelle von 50 Punkten abgesetzt.
Markit-Ökonom Phil Smith sieht darin „einen weiteren Beleg, dass das Wachstum immer mehr an Fahrt gewinnt“. Die Industrie entwickelt sich nach sehr schweren Monaten in der ersten Phase der Pandemie, als der Ausstoß um fast ein Drittel einbrach, zum Eckpfeiler der Konjunkturerholung. Laut Ifo-Geschäftsklima sind die Geschäftserwartungen gegenwärtig so gut wie seit mehr als zehn Jahren nicht. Besonders der angelaufene Post-Corona-Boom in den USA und die sich verstetigende Erholung in China beflügeln. Die beiden größten Volkswirtschaften der Welt sind zugleich Deutschlands mit Abstand wichtigste Handelspartner.
Lediglich der Blick auf die harten Daten könnte den rosigen Gesamteindruck leicht trüben. Nächsten Freitag veröffentlicht das Statistische Bundesamt Daten zur Industrieproduktion im Februar. Während die DZBank um Chefvolkswirt Michael Hollstein nach einer Delle im Januar nun mit einem „merklichen Produktionsplus“ rechnet, sind andere verhaltener. So erwarten DekaBank und BayernLB einen weiteren leichten Rückgang. Zur Begründung verweisen sie auf den Maut-Fahrtleistungsindex, den Transportindex und die Umsatzsteuervoranmeldungen.
Auch US-Industrie boomt
Unterstützt von raschen Impffortschritten und damit einhergehenden Lockerungen im Alltagsleben und in der Wirtschaft, nehmen auch die Industrieunternehmen in den USA Kurs auf einen starken Aufschwung. Die Stimmung im verarbeitenden Gewerbe erreichte laut dem einschlägigen ISM-Index mit 64,7 Punkten den höchsten Stand seit fast vier Jahrzehnten. Volkswirte hatten im Durchschnitt 61,3 Zähler erwartet.