Staatsverschuldung

Britische Zinskosten auf Rekordniveau

Das britische Schatzamt musste im vergangenen Monat so viel Zinsen zahlen wie nie zuvor in einem Mai. Die rasant steigende Inflation treibt die Zinskosten inflationsgeschützter Anleihen nach oben.

Britische Zinskosten auf Rekordniveau

hip London

Der britische Schatzkanzler Rishi Sunak hat im vergangenen Monat für Schuldentitel der öffentlichen Hand so viel Zinsen gezahlt wie noch keine andere Regierung in einem Mai. Wie das Statistikamt ONS mitteilte, war es der dritthöchste jemals von der Zentralregierung gezahlte Betrag. Die Zinskosten stiegen auf 7,6 (i.V. 4,5) Mrd. Pfund. Die unabhängigen Haushaltswächter vom Office for Budget Responsibility (OBR) hatten lediglich einen Wert von 5,1 Mrd. Pfund vorhergesagt. Der rasante Anstieg der Teuerungsrate ließ auch die Zahlungen für inflationsgeschützte Staatsanleihen (Gilts) in die Höhe schnellen, die sich nach dem Einzelhandelspreisindex richten.

Wachsender Schuldenberg

Der Schuldenberg wuchs trotz höherer Steuern und Sozialversicherungsbeiträge um 14 (18) Mrd. Pfund. Das war mehr, als man am Markt und beim OBR erwartet hatte. Sinkende Steuereinnahmen trugen ihren Teil dazu bei. Im Vorjahresvergleich mag die Neuverschuldung gesunken sein, sie lag jedoch um 8,5 Mrd. Pfund höher als im Mai vor Ausbruch der Pandemie. Während die Rufe nach zusätzlichen staatlichen Hilfen zur Milderung des Anstiegs der Lebenshaltungskosten lauter werden, rücken die Hoffnungen auf eine Verbesserung der Kassenlage in weite Ferne. Derzeit beläuft sich die öffentliche Verschuldung in Großbritannien auf 2 363 Mrd. Pfund. Das sind 95,8 % des Bruttoinlandsprodukts. Es ist der höchste Wert seit mehr als einem halben Jahrhundert. Binnen zwölf Monaten ist er um 0,5 Prozentpunkte bzw. 170 Mrd. Pfund gestiegen. Die Analystin Susannah Streeter von Hargreaves Lansdown sprach von einem „weiteren Teil des beunruhigen Puzzles, das die Auswirkungen der Inflation auf Volkswirtschaften in aller Welt zeigt“.

Unterdessen deuteten die vom Finanzdatenanbieter S&P Global durchgeführten Einkaufsmanager-Blitzumfragen darauf hin, dass sich die britische Wirtschaft derzeit noch in einem besseren Zustand befindet als befürchtet. Der Composite Output Index verharrte auf 53,1 Punkten. Der Index für die Dienstleistungsbranche stagnierte bei 53,4 Zählern, der Index für das verarbeitende Gewerbe ging von 51,6 Punkten im Mai auf 51,2 Punkte zurück. Erst Werte unter 50 deuten auf eine wirtschaftliche Kontraktion hin.

Mit Blick auf die starken Rückgänge bei den vergleichbaren Daten für Deutschland und Frankreich sei der Wert für die Dienstleistungsbranche „gar nicht schlecht“, schrieb die HSBC-Volkswirtin Elizabeth Martins in einer ersten Einschätzung. Im verarbeitenden Gewerbe gebe es aber klare Hinweise auf eine zunehmende Verlangsamung der Aktivität. „Der Fakt, dass die Unternehmen weiter einstellen, obwohl ihre Zuversicht nachlässt und der Auftragseingang schrumpft, zeugt vom Zustand des britischen Arbeitsmarkts“, konstatierte Martins. Vielleicht seien die Firmen ja so besorgt, nicht ausreichend Mitarbeiter rekrutieren zu können, dass sie auch dann neues Personal einstellen, wenn sie es unter normalen Umständen nicht tun würden­.