Bundesbank bewertet geldpolitische Reden mit Künstlicher Intelligenz
Bundesbank bewertet geldpolitische Reden mit KI
Neues Modell soll unerwünschte Marktreaktionen auf Äußerungen von Notenbankern künftig vermeiden
mpi Frankfurt
Nicht immer kommt eine Äußerung bei den Zuhörern so an, wie es der Redner beabsichtigt hat. Damit dies Notenbankern künftig seltener bis gar nicht passiert, hat die Bundesbank ein eigenes KI-Modell entwickelt. Mithilfe von Künstlicher Intelligenz (KI) analysiert die Notenbank geldpolitische Kommunikation in Hinblick auf die Signalwirkung, die von ihr ausgeht.
Wie das genau aussieht, teilte die Bundesbank am Dienstag in einem Aufsatz aus ihrem Monatsbericht März mit. Das Modell Mila (Monetary-Intelligent Language Agent) wertet Texte Satz für Satz danach aus, ob diese auf den Rezipienten eher falkenhaft oder taubenhaft wirken. Falken werden in der Fachsprache Anhänger einer eher restriktiven Geldpolitik genannt. Tauben befürworten dagegen einen eher expansiven geldpolitischen Kurs. Auf Basis der Ergebnisse der einzelnen Sätze kommt das Programm zu einem Schluss, wie die Kommunikation insgesamt wirkt.
„Die Zerlegung in einzelne Sätze erhöht die Transparenz der Analyse, da diese Texteinheit für Menschen verständlich und individuell bewertbar ist“, schreibt die Bundesbank in ihrem Aufsatz. Dies sei von großer Bedeutung, denn der Einsatz von KI bedeute nicht, dass es für die Bewertung der Kommunikation einer Notenbank keine Menschen mehr benötige. „Die Gefahr von Fehleinschätzungen durch automatisierte Systeme erfordert weiterhin eine sorgfältige Überprüfung und Validierung durch menschliche Fachleute.“
Einfluss auf Entscheidungen
Mila bewertet die Kommunikation zudem auch dahingehend, ob das Sentiment zur wirtschaftlichen Lage und zur Inflationsentwicklung positiv oder negativ ist. Positive Äußerungen einer Notenbank über die Konjunktur oder die Inflationsdynamik können den Optimismus an Märkten und in der Öffentlichkeit stärken. Negative Aussagen können bei den Rezipienten hingegen Pessimismus und Verunsicherung auslösen. „Daher prägt auch die Stimmung des wirtschaftlichen Narratives die Erwartungen von Marktteilnehmern über zukünftige geldpolitische Maßnahmen und die wirtschaftliche Entwicklung“, heißt es im Bundesbankaufsatz. Dies wiederum beeinflusse Konsum- und Investitionsentscheidungen.
Wichtig für die Beurteilung ist der Kontext, in dem die Aussagen getätigt werden. In der Phase der zu niedrigen Inflation von 2013 bis 2020 war die Äußerung, dass der Inflationsdruck steigt, eine von der EZB und den nationalen Notenbanken erwünschte Entwicklung. Im Zeitraum des rasanten Preisanstieges ab 2021 hingegen nicht. Das KI-Modell der Bundesbank berücksichtigt den zeitlichen Kontext.
Chancen und Risiken durch KI
Die Bundesbank betont im Monatsbericht sowohl die Chancen als auch die Risiken, die durch den zunehmenden Einsatz von KI entstehen. „Eine daraus resultierende effektivere und transparentere geldpolitische Kommunikation kann letztlich dazu beitragen, das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Zentralbank zu stärken, Inflationserwartungen zu verankern und damit dem Primärmandat der Preisstabilität gerecht zu werden.“
Dazu sei es wichtig, die eingesetzten Modelle kontinuierlich an neue technische und sprachliche Entwicklungen sowie ökonomische Erkenntnisse anzupassen.
Auf der anderen Seite entstünden durch den Einsatz von KI bei Finanzmarktakteuren auch Risiken. „Wenn Marktteilnehmer vermehrt KI einsetzen, um geldpolitische Aussagen zu analysieren und künftige Entscheidungen vorherzusagen, könnten ihre Wahrnehmungen und Interpretationen von Zentralbankkommunikation zunehmend homogener werden“, schreibt die Bundesbank. Dies sei insbesondere dann der Fall, wenn sehr ähnliche KI-Modelle zum Einsatz kommen, was nicht unwahrscheinlich sei. „Da an Finanzmärkten Anreize bestehen, die Einschätzungen anderer zu antizipieren, könnten sich Marktteilnehmer zunehmend an den KI-basierten Einschätzungen anderer Akteure orientieren.“