Deutsche-Bank-Chef fordert Gegensteuern

Debatte um Inflation wird hitziger

Die Debatte um den Umgang mit den aktuell hohen Inflationsraten zieht weitere Kreise. Im Finanzmarkt wächst die Erwartung, der Preisauftrieb könnte noch länger anhalten als gedacht.

Debatte um Inflation wird hitziger

ahe Brüssel

In der Finanzwirtschaft mehren sich die Sorgen angesichts der zuletzt deutlich in die Höhe geschossenen Inflationszahlen. Der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Bank, Christian Sewing, forderte ein Eingreifen der Geldpolitik und damit der EZB – „und das eher früher als später“, wie er auf der Euro Finance Week in Frankfurt sagte. „Das vermeintliche Allheilmittel der vergangenen Jahre – niedrige Zinsen bei scheinbar stabilen Preisen – hat seine Wirkung verloren, jetzt kämpfen wir mit den Nebenwirkungen.“

Sewing verwies darauf, dass die Notenbanken zwar davon ausgingen, dass es sich bei dem aktuellen Anstieg der Teuerung um einen temporären Effekt handele. „Diese Meinung teilen unsere Ökonomen nicht.“ Kunden richteten sich schon darauf ein, und auch Marktteilnehmer fingen bereits an, Preissteigerungen zu antizipieren.

Ähnlich äußerte sich auch der neue Chef von HSBC Deutschland, Nicolo Salsano: „Wir sehen auch, dass das Thema Inflation nicht ganz so temporär ist, wie es möglicherweise aus politischen Kreisen postuliert wird“, sagte er in Frankfurt.

Eine Umfrage des ZEW – Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung aus Mannheim unter rund 150 Finanzmarktexperten ergab die Erwartung, dass die Inflationsraten im Eurogebiet in den nächsten zwei Jahren zwar allmählich zurückgehen – aber auch 2023 noch mit einem Wert von dann 2,2% über der EZB-Zielmarke von 2% bleiben werden. Die Prognosen für das nächste Jahr liegen im Schnitt bei 2,7%.

Die Präsidentin der Europäischen Zentralbank (EZB), Christine La­garde, räumte am Montag bei einer Anhörung im Wirtschafts- und Währungsausschuss (Econ) des EU-Parlaments zwar ebenfalls ein, dass die hohe Inflation noch etwas länger anhalten könnte als ursprünglich gedacht. Von einem Gegensteuern wollte sie jedoch nichts wissen: „Falls wir jetzt Straffungsmaßnahmen einleiten sollten, würde das wesentlich mehr Schaden anrichten als Gutes bewirken.“

Zweitrundeneffekte fraglich

Selbst eine Straffung auf kurze Sicht anzudeuten, würde der Wirtschaft im Euroraum schaden. Diese sei auf dem Weg der Besserung und könne gegen Jahresende ihr Vorkrisenniveau übertreffen.

Lagarde geht weiterhin davon aus, dass die Teuerung mittelfristig unter dem 2-%-Ziel liegen wird. Sie verwies in der Anhörung erneut darauf, dass rund die Hälfte des aktuellen Preisanstiegs auf die hohen Energiepreise zurückzuführen sei. Der Rest komme aus der hohen Nachfrage nach dem pandemiebedingten Einbruch sowie dem Mehrwertsteuereffekt aus Deutschland, der aber im Januar wegfallen werde.

Für Zweitrundeneffekte gibt es laut Lagarde zurzeit keine Anzeichen, auch wenn es wohl im nächsten Jahr zu Lohnerhöhungen kommen werde. Sie bekräftigte erneut, 2022 sei eine Zinserhöhung sehr unwahrscheinlich. Auf eine Spekulation über den Leitzins im Jahr 2023 wolle sie sich aber nicht einlassen.

Lagardes Äußerungen wurden im Econ-Ausschuss unterschiedlich aufgenommen. Redner der Sozialdemokraten, Grünen und Linken unterstützten grundsätzlich den Kurs der Europäischen Zentralbank und forderten, den expansiven Kurs nicht zu schnell zurückzufahren, um den Unternehmen weiterhin günstige Finanzierungsbedingungen bieten zu können.

Kritik kam hingegen von konservativer Seite. Der CSU-Finanzexperte Markus Ferber betonte, Lagarde müsse nun endlich eine Strategie vorlegen, wie die EZB aus dem Krisenmodus herauskommen wolle. Wenn die EZB ihr Mandat ernst nehme, werde es Zeit, dass sie nun gegensteuere. „Wenn Lagarde weiter Däumchen dreht, wird sie das Rennen gegen die Inflation verlieren“, warnte Ferber. Er erwarte sich von der EZB-Präsidentin, dass diese nun endlich ein klares Signal für einen zügigen Ausstieg aus dem Pandemie-Notfallankaufprogramm PEPP und für eine Normalisierung der Geldpolitik sende.

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