Haushaltspolitik

Defizitverfahren gegen Rom und Paris

Die EU-Kommission hat den ersten Schritt hin zu Defizitverfahren gegen sieben Mitgliedstaaten gemacht, darunter Frankreich und Italien.

Defizitverfahren gegen Rom und Paris

Defizitverfahren gegen Rom und Paris

EU-Kommission macht den Weg frei – Brüssel moniert Hindernisse für Investitionen in Deutschland

Die EU-Kommission hat mit ihren Berichten zur haushaltspolitischen Überwachung den Weg für Defizitverfahren gegen sieben Mitgliedstaaten bereitet, darunter auch Frankreich und Italien. Der Rat wird im Juli dazu einen Beschluss fassen. Bis Herbst werden dann Maßnahmen diskutiert, um die Neuverschuldung zu senken.

fed Brüssel

Die EU-Kommission hat erstmals die vor wenigen Monaten neu gefassten EU-Schuldenregeln angewendet – und nach Jahren des ausgesetzten Stabilitätspakts umgehend die Voraussetzungen für die Einleitung von Defizitverfahren gegen sieben EU-Mitgliedstaaten geschaffen: Belgien, Ungarn, Malta, Polen und die Slowakei sowie Frankreich und Italien. EU-Kommissar Paolo Gentiloni beschrieb das am Mittwoch vorgestellte „Frühjahrspaket“ als „einen ersten Schritt“. Dieser komme jedoch für die Mitgliedstaaten nicht überraschend.

Entscheidender Maßstab dafür, dass die EU-Beamten der Generaldirektion Wirtschaft und Währung die Einleitung eines Defizitverfahrens für angemessen halten, ist vor allem eine Neuverschuldung, die die Marke von 3% der Wirtschaftskraft des jeweiligen Landes überschreitet. Beobachtungszeitraum ist dabei einerseits das zurückliegende Jahr, andererseits aber auch die absehbare Entwicklung in diesem und im nächsten Jahr. In Frankreich etwa lag die Defizitquote 2023 bei 5,5% und wird dieses Jahr nur knapp darunter erwartet. Der Schuldenberg beträgt 110% des Inlandsprodukts.

Estland und andere verschont

Unter den Ländern, die durch Defizite von mehr als 3% auffielen, wurden jedoch diejenigen von einem Defizitverfahren verschont, bei denen erstens der Schuldenberg unter der Maastricht-Marke von 60% des Bruttoinlandsprodukts bleibt, bei denen zweitens das Defizit „in der Nähe“ der 3-Prozent-Marke liegt und als zwischenzeitlich erachtet wird und die drittens anführen können, dass das Defizit durch bestimmte investive Ausgaben größer ausfällt.

Das ist beispielsweise für Estland der Fall, ein Land mit einer Gesamtschuldenquote unter 30%. Die Regierung in Tallinn konnte darauf hinweisen, dass die Neuverschuldung kleiner als 3% gelegen hätte, wären nicht zusätzliche Milliarden-Investitionen in die Verteidigung des Landes, das an der Grenze zu Russland liegt, notwendig gewesen. Vor diesem Hintergrund verzichtete die EU-Kommission auf die Empfehlung an den Ministerrat, ein Defizitverfahren einzuleiten. Denn genau diese Abzugsfähigkeit von Rüstungsinvestitionen ist durch die Neufassung der Schuldenregeln nun Teil des reformierten Stabilitätspakts.

Nun werden sich die Finanzminister über die Berichte beugen und am Freitag in Luxemburg diskutieren. Im Juli folgt dann die Entscheidung: Der Ecofin-Rat wird dann Defizitverfahren einleiten und dabei voraussichtlich den Empfehlungen der EU-Kommission folgen. Ganz sicher ist das allerdings nicht. Anfang der 2000er-Jahre verhinderten Frankreich und Deutschland genau diesen Schritt.

Im Herbst geht es um Maßnahmen

Im Herbst schließlich wird die EU-Behörde dem Rat Empfehlungen für Maßnahmen vorlegen, um die übermäßigen Defizite herunterzufahren. Zuvor werden die Mitgliedstaaten selbst mittelfristige haushaltspolitische Pläne vorstellen. Erst ganz am Ende des Defizitverfahrens, also nach wiederholten Vorgaben aus Brüssel und deren Nichteinhaltung in den Mitgliedsländern, können dann theoretisch Strafen ausgesprochen werden.

Die EU-Kommission veröffentlichte auch einen Bericht über Deutschland. Da die Haushaltszahlen den EU-Vorgaben entsprechen, konzentrierte sich die Kritik der EU-Behörde auf andere Schwachstellen, etwa Hindernisse für Investitionen, lange Planungsprozesse oder auch Digitalisierungsdefizite in der öffentlichen Verwaltung. Brüssel rät zudem zu steuerlichen Anpassungen, etwa durch stärkere umweltbezogene Anreize.

BZ+
Jetzt weiterlesen mit BZ+
4 Wochen für nur 1 € testen
Zugang zu allen Premium-Artikeln
Flexible Laufzeit, monatlich kündbar.