Ifo Geschäftsklima gibt nach

„Der deutschen Wirtschaft fehlt es an Kraft“

Die deutschen Firmen sind novemberlich trüb gestimmt – die Ungewissheit über etwaige Strafzölle für Importe in die USA und die absehbar langwierige Regierungsbildung hierzulande wiegen schwer. Konsumfreudigere Verbraucher und künftige Reallohnzuwächse bessern zumindest beim Handel die Laune.

„Der deutschen Wirtschaft fehlt es an Kraft“

„Der Wirtschaft fehlt es an Kraft“

Ifo-Geschäftsklima sinkt – Verbraucher beflügeln Handel – Bessere Stimmung im Ausland

Die deutschen Firmen sind novemberlich trüb gestimmt – die Ungewissheit über etwaige Strafzölle für Importe in die USA und die absehbar langwierige Regierungsbildung hierzulande wiegen schwer. Konsumfreudigere Verbraucher und künftige Reallohnzuwächse sorgen zumindest beim Handel für bessere Laune.

ba Frankfurt

Die Unternehmensstimmung steht derzeit stark im Zeichen der Politik: Das Ampel-Aus und die Wahl von Donald Trump zum 47. US-Präsident sorgt auf den deutschen Chefetagen für schlechtere Laune. Nachdem die Hälfte der monatlich 9.000 vom Ifo-Institut befragten Manager ihre Antworten vor dem 6. November – dem Tag, als die Ampelkoalition aus SPD, Grünen und FDP platzte – abgegeben hatten, die andere Hälfte danach, werden die politischen Turbulenzen auch in den kommenden Monaten noch die Stimmung beeinflussen.

Etwas schwächer als erwartet

Der Rückgang des Einkaufsmanagerindex hat bereits angedeutet, dass die Erholung des Ifo-Geschäftsklimas im September nur eine Kurze war. So ist das wichtigste Frühbarometer für die konjunkturelle Entwicklung hierzulande im November um 0,8 auf 85,7 Punkte gefallen, wohingegen Ökonomen einen neuen Zählerstand von 86,0 prognostiziert hatten. Dabei beurteilten die Unternehmen vor allem die aktuelle Lage skeptischer als zuletzt, aber auch die Erwartungen fielen etwas schwächer aus. „Der deutschen Wirtschaft fehlt es an Kraft“, kommentierte Ifo-Präsident Clemens Fuest.

Ökonomen wenig optimistisch

Auch Ökonomen rechnen nach den Umfrageergebnissen mit keiner nachhaltigen Konjunkturbelebung. „Die Exporte leiden unter anderem unter einer weiterhin schwachen Nachfrage aus China, und im Inland scheint die bremsende Wirkung der Geldpolitik langsamer abzuklingen als von vielen vermutet“, begründet Commerzbank-Experte Ralph Solveen. Hinzu kämen die vielen strukturellen Probleme der deutschen Wirtschaft. „Diese werden auch dafür sorgen, dass die von uns im Laufe des kommenden Jahres erwartete Belebung sehr moderat ausfallen wird“, erwartet Solveen. ING-Chefökonom Carsten Brzeski führt den schwächeren Ifo-Index „vor allem auf negative Schlagzeilen und Restrukturierungsankündigungen größerer Unternehmen, eine Eskalation des Krieges in der Ukraine sowie die nach wie vor schwachen Auftragsbestände und den Konsum in der Industrie zurück“, da die Erwartungskomponente nur minimal gesunken ist. Das größte Risiko liegt für KfW-Konjunkturexperte Philipp Scheuermeyer „indes am Arbeitsmarkt, denn es ist unklar, wie lange die Unternehmen bei teilweise deutlich unterausgelasteten Produktionskapazitäten noch an ihren Beschäftigten festhalten.“

Verbraucher geben Geld aus

Unter den Branchen herrscht größtenteils Tristesse: Das Geschäftsklima gab in der Industrie, dem Bau und bei den Dienstleistern nach – bei den beiden letztgenannten sogar deutlich, wie die Münchener Wirtschaftsforscher betonten. Im Handel hingegen legte das Geschäftsklima erneut zu. Der Handel gilt Ifo-Experte Klaus Wohlrabe als „Lichtblick“. „Die Verbraucher fangen langsam an, mehr Geld auszugeben.“ Allerdings gebe es noch viel Luft nach oben. „Von Euphorie sind wir noch weit entfernt“, mahnte er im Reuters-Interview. Weitere Profiteure seien die Transport- und Logistikbranche, sowie die Produzenten von Nahrungs- und Genussmitteln sowie Getränken. „Vielleicht sorgt hier das Weihnachtsgeschäft für Belebung“, sagte der Ifo-Umfragechef. Auch der Tourismus laufe gut.

Höhere Exporterwartungen

Belastet würden die Unternehmen allerdings von den politischen Unsicherheiten: „Trump-Schock und Ampel-Aus haben nicht zur Beruhigung der Unsicherheit der Unternehmen beigetragen“, sagte Wohlrabe. Obwohl Trump für den Fall seines Sieges mit Importzöllen von 10% oder 20% auf Waren aus der EU gedroht hat, sind die Exporterwartungen der deutschen Industrie für die kommenden drei Monate im November etwas gestiegen. „Der Trump-Schock spiegelt sich darin noch nicht wider“, sagte Wohlrabe. „Womöglich kommt es zu Vorzieheffekten, weil sich Unternehmen vorsorglich mit den benötigten Produkten eindecken.“

Vorzieheffekte sorgen für höhere Exporterwartungen

Dieses Paradoxon wird so auch vom IfW Kiel gesehen: „So könnte die Importnachfrage in den USA in den kommenden Monaten deutlich steigen, wovon vor allem chinesische, aber auch deutsche Produzenten profitieren würden“, erklärt IfW-Konjunkturexperte Klaus-Jürgen Gern zum Rückgang des weltweiten Warenhandels im September um 0,9% zum Vormonat. Dies sei aber nur ein Rückprall zum „ausgesprochen starken“ Anstieg von 1,7% im August. Gern erwartet für das Gesamtjahr einen Anstieg des Welthandels um 1,75% nach dem Minus von 1,3% im Jahr 2023. Während sich die Exporte in diesem Jahr vor allem in Asien belebt hätten, konnten die deutschen Warenexporte zuletzt nicht mehr Schritt halten – in den ersten 9 Monaten des Jahres sind sie ihm zufolge sogar gesunken.

Uneinheitlich fällt Wohlrabe zufolge die Reaktion der Unternehmen auf das Ampel-Aus aus: „Einige freuen sich, andere sind skeptisch, weil damit die Unsicherheit wieder steigt.“ Vor allem für größere Investitionen benötige es stabile politische Rahmenbedingungen. Nun aber drohten erst ein Wahlkampf bis Ende Februar, danach womöglich noch wochenlange Koalitionsverhandlungen.

Stimmung ist daheim am schlechtesten

An ihren internationalen Standorten ist die Stimmung deutscher Firmen hingegen weitaus positiver als in Deutschland, wie der AHK World Business Outlook zeigt.

"Die Herausforderungen sind groß, aber es gibt auch vielerorts große Chancen“, erklärte DIHK-Außenwirtschaftschef Volker Treier zur Umfrage der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK) unter knapp 3.500 Unternehmen weltweit. Insbesondere in Nordamerika, Teilen Afrikas und Asiens würden sie Standortbedingungen finden, die ihnen helfen, dort ihre Wettbewerbsfähigkeit zu sichern.

In den USA sind die Einschätzungen der konjunkturellen Entwicklung in den kommenden zwölf Monaten immer noch weitaus positiver als im weltweiten Durchschnitt und auch in China wächst wieder die Zuversicht. Hier scheine „die Talsohle erreicht“. Die Geschäftserwartungen in der EU – dem immer noch wichtigsten Markt vieler Firmen – sind im Vergleich zur vorherigen Umfrage im Frühjahr unverändert geblieben. Als größte Sorgen gelten der Umfrage zufolge die schwache Nachfrage (50%), strukturelle Risiken wie wirtschaftspolitische Unsicherheiten (47%) und der Fachkräftemangel (35%).