Der Hype um Fondslösungen zur Finanzierung von Infrastruktur
Der Hype um Fondslösungen
zur Finanzierung von Infrastruktur
Neue Ideen, wie der riesige Investitionsstau bei Straßen, Schienen und Stromnetzen angepackt werden kann.
Von Andreas Heitker, Berlin
Vielleicht war der Einsturz der Carolabrücke in der Dresdener Innenstadt im September so etwas wie ein letztes Alarmsignal, dass der gewaltige Investitionsstau in der deutschen Infrastruktur endlich angegangen werden muss – trotz knapper öffentlicher Kassen und trotz Schuldenbremse. Dabei warnen Experten schon lange unisono, dass der Zustand der Verkehrswege, Schienen, der Energienetze, Schulen und der digitalen Infrastruktur besorgniserregend ist. Schon vor zwei Jahren sagten mehr als ein Viertel der hiesigen Unternehmen, dass die zum Teil marode Infrastruktur ihre Geschäftsabläufe mittlerweile deutlich beeinträchtigt. Heute sieht es noch schlimmer aus.
Die Bruttoanlageinvestitionen der öffentlichen Hand haben zuletzt zwar wieder leicht zugenommen. Ihr Anteil am nominalen Bruttoinlandprodukt (BIP) liegt in Deutschland aber weiterhin deutlich unter dem in Frankreich, deutlich unter dem EU-Durchschnitt oder dem in anderen G7-Staaten wie den USA oder Japan. Das Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) beziffert den öffentlichen Investitionsbedarf in die Infrastruktur derzeit auf etwa 600 Mrd. Euro für die nächsten zehn Jahre: etwa ein Drittel davon im Bereich der kommunalen Infrastruktur, ein Drittel für die Dekarbonisierung und der Rest für überregionale Verkehrswege, für Wohnungen und für Bildung. Andere Schätzungen kommen auf ähnlich hohe Summen.
Bei der Frage, wo dieses ganze Geld herkommen soll, scheiden sich wie üblich die Geister: Die einen wollen neue Sondervermögen ins Leben rufen, die anderen die Schuldenbremse reformieren und hier entweder eine „goldene Regel" einbauen oder die Konjunkturkomponente lockern, wieder andere setzen stärker auf private Investoren, beispielsweise auch über öffentlich-private Partnerschaften. In das Zentrum der aktuellen Debatten sind aber mittlerweile Fondslösungen gerückt.
Langfristige Planungssicherheit
Verkehrsminister Volker Wissing hatte schon im Frühjahr für einen Infrastrukturfonds geworben, konnte sich mit dieser Idee aber auch bei seinen früheren Parteifreunden von der FDP nicht durchsetzen. Ohne einen solchen Fonds werde es aber nicht dauerhaft gelingen, das Land in dem Tempo zu modernisieren, das wir brauchen, stellte Wissing kürzlich in einem Interview noch einmal klar.
Grund sind für ihn die schwankenden Haushaltsmittel für Investitionen, die insbesondere in der Bauwirtschaft zu Planungsunsicherheiten und im Endeffekt auch zu höheren Preisen führen. Die Alternative, für die sich mittlerweile immer mehr Politiker erwärmen, sollte ein Fonds sein, der verlässlich aus öffentlichen Einnahmen gespeist wird, etwa aus der Lkw-Maut. Damit sollten dann private Mittel mobilisiert werden, die mit einer Rendite gelockt werden.
Verbände legen branchenspezifische Lösungsansätze vor
Mittlerweile liegen auch andere Fondskonzepte aus der Privatwirtschaft vor. Beispiel Schienenverkehr: Der Verband der privaten Güterbahnen schlägt vor, nach dem Vorbild von Österreich und der Schweiz eine überjährige Finanzierung mittels eines Fonds zu schaffen. Jährlich sollen rund 20 Mrd. Euro fließen – sowohl in den Erhalt und die Sanierung der Bahntrassen als auch für den Neu- und Ausbau von Strecken. Etwa die Hälfte des Geldes soll aus fixen Einnahmequellen stammen, etwa aus bestimmten Anteilen von Steuer- oder Mauteinnahmen.
Auch Sondererlöse – zum Beispiel das Geld aus der Verkauf der Deutsche Bahn-Tochter Schenker – könnte nach Ansicht des Verbands hierfür genutzt werden. Schulden soll der Fonds dagegen nicht aufnehmen dürfen. Die Mittel könnten dem Plan der Güterbahnen zufolge über ein neues Bundesamt für Schieneninfrastruktur verteilt werden.
Beispiel Energiewirtschaft: Der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW), der Verband kommunaler Unternehmen (VKU) und das Beratungsunternehmen Deloitte machen sich seit einem halben Jahr für einen Energiewende-Fonds (EWF) stark, der zunächst ein Volumen von 30 bis 50 Mrd. Euro bekommen sollte. Der Fonds soll privates Kapital von institutionellen Investoren sowie staatliche Garantien und Ausfallbürgschaften bündeln und den hohen Eigenkapitalbedarf öffentlicher und privater Versorger mit decken. Auch Banken sollen beteiligt werden. Der BDEW rechnet mit einem Investitionsbedarf für die Energiewende von 721 Mrd. Euro bis 2030.
Thema im Bundestagswahlkampf
In der Politik stoßen diese Ideen auf offene Ohren. Zumindest die SPD und die Grünen haben einen Infrastrukturfonds – beide Parteien sprechen von einem „Deutschlandfonds“ – in ihr Programm für die Bundestagswahl aufgenommen. Die Sozialdemokraten wollen 100 Mrd. Euro staatliches und privates Kapital bündeln, das dann gezielt in Strom- und Wasserstoffnetze, Wohnungsbau und in hochinnovative Unternehmen und KI investiert werden soll. Die Grünen wollen Geld auch für den Klima- und Umweltschutz, für Verkehr, Forschung und Verteidigung nutzen. Ob die Union bei einem Wahlsieg da mitmacht, ist aber noch offen.
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