Deutlicher Vertrauensverlust im Euroraum
Merklicher Vertrauensverlust im Euroraum
ESI fällt − Verbraucher sehr besorgt − Sparneigung auf Rekordhoch
ba Frankfurt
Die wirtschaftlichen Aussichten im Euroraum trüben sich zum Jahresende überraschend deutlich ein. Nicht nur, dass das Wirtschaftsvertrauen in fast sämtlichen Bereichen nachgegeben hat, auch die Beschäftigungsaussichten ließen stark nach. Insbesondere die Verbraucher machen sich deutlich größere Sorgen um ihre Jobs. Die monatlich von der EU-Kommission abgefragten Verkaufspreiserwartungen wiederum zeugen von einem anziehenden Preisdruck: Sie stiegen quer durch alle Sektoren, vor allem aber bei den Dienstleistern. Die EZB hat ein besonders starkes Augenmerk auf die Preisentwicklung im personalintensiven Servicebereich wegen der Bedeutung für die Inflation.
Dienstleister geben den Optimisten
Der Economic Sentiment Indicator (ESI) der EU-Kommission fiel im Dezember um 1,9 auf 93,7 Punkte. Ökonomen hatten ein leichtes Minus erwartet, nachdem der Wert im Vormonat stagniert hatte. Mit Ausnahme der Dienstleister, war der Rückgang breit basiert: Während das Vertrauen in der Industrie, im Baugewerbe und bei den Verbrauchern nachgab, blieb es im Einzelhandel im Großen und Ganzen stabil, wie die Brüsseler Behörde mitteilte.
Verbraucher zurückhaltend
Die Verbraucher machten sich dabei größere Sorgen um die konjunkturelle Entwicklung ihrer Heimatländer und planten weniger Anschaffungen. Der Unterindikator der Sparabsichten in den kommenden zwölf Monaten kletterte gar auf den höchsten Stand seit dem Jahr 2000. Seit Mitte 2022 steigt die Sparquote der privaten Haushalte wieder. Die EZB führt dies in einem vorab veröffentlichten Kapitel des Wirtschaftsberichts auf die steigenden Einkommen zurück. Schon während der Corona-Pandemie war die Sparquote kräftig gestiegen, allerdings mangels Konsummöglichkeiten während der Ausgangssperren.
In den vergangenen beiden Jahren ist das Haushaltseinkommen angesichts des starken Wachstums sowohl der Arbeits- als auch der Nichtarbeitseinkommen um 3,8% gestiegen. Dennoch blieben die Haushalte im Euroraum bei ihren Ausgaben vorsichtig, heißt es bei der EZB. Die Zinserhöhungen infolge der steigenden Inflation − die vor allem von den Energie- und Lebensmittelpreise getrieben wurde − hatten dazu geführt, dass weniger Güter, aber mehr Dienstleistungen nachgefragt wurden und mehr Geld auf die hohe Kante wanderte. „Mit dem Inflationsanstieg sank das reale Nettovermögen der privaten Haushalte in den letzten zwei Jahren, was für sie den Anreiz erhöhte, ihr Vermögen wieder aufzubauen“, erklärte die Notenbank den jüngsten Anstieg der Sparquote. Das reale Nettovermögen umfasst Immobilienvermögen, Einlagen, Anleihen und Aktien abzüglich der Schulden.
EZB erwartet vorerst weiter hohe Sparquote
Die EZB erwartet, dass die Sparquote angesichts steigender Realeinkommen, hoher Realzinsen und Anreizen zum Wiederaufbau realen Vermögens kurzfristig hoch bleibt. Wegen der nachlassenden Zinsen dürfte sie allerdings die jüngsten Höchststände nicht mehr erreichen. „Der wahrscheinliche Rückgang der Sparquote und das anhaltend starke Wachstum der realen Arbeitseinkommen dürften die Dynamik des privaten Konsums fördern.“
Weniger Rückenwind vom Jobmarkt
Gegenwind für den Konsum kommt allerdings von den sich eintrübenden Aussichten am Jobmarkt. Zwar hat der Labour Hoarding Indicator (LHI) um 0,6 auf 10 Punkte zugelegt. Dieser misst für die 27 EU-Mitgliedsländer die Bereitschaft der Unternehmen, am Personal festzuhalten oder Jobs aufbauen zu wollen, obwohl sie mit einem geringeren Geschäft rechnen. Allerdings haben die im Indikator der Beschäftigungserwartungen (EEI) nicht enthaltenen Jobsorgen der Verbraucher erneut kräftig zugelegt: Der entsprechende Index für den Euroraum kletterte um 3,4 auf 29,6 Punkte – das langjährige Mittel liegt bei 23,7 Zählern. Lediglich im Einzelhandel sehen sie Personalpläne der Unternehmen einen geringfügigen Stellenaufbau vor, der EEI für die Eurozone gab um 1,4 auf 97,3 Punkte nach.
Spitzenreiter Spanien
Unter den Euro-Schwergewichten fiel der ESI vor allem in Frankreich (−3,0), Deutschland (−2,5) und Italien (−1,1) deutlich. In Polen (+0,1) und den Niederlanden (−0,2) blieb das Vertrauen laut der EU-Kommission weitgehend unverändert. Wie auch in der Einkaufsmanagerumfrage steht Spanien an der Spitze (+0,9 auf 102,9 Zähler).