Hohe Wachstumsverluste für deutsche Unternehmen bei Trump-Präsidentschaft
Bei Trump-Präsidentschaft drohen deutscher Wirtschaft Wachstumsverluste
IW-Studie: Handelskrieg könnte Deutschland 180 Mrd. Euro kosten – Unternehmen machen sich laut Ifo-Umfrage große Sorgen
lz Frankfurt
Rund zwei Wochen vor der Präsidentenwahl in den USA liegt der ehemalige Amtsinhaber Donald Trump in Umfragen knapp vor Vizepräsidentin Kamala Harris. Laut einer Umfrage des „Wall Street Journal“ würden 47% der Befragten für den Republikaner Trump stimmen, während die Demokratin Harris auf 45% käme. Auch in der für Amerikaner wichtigen Wirtschaftskompetenz behauptet der 78 Jahre alte Immobilien-Milliardär einen hauchdünnen Vorsprung vor Harris. Nach einer von der „Financial Times“ veröffentlichten Erhebung vertrauen 44% der Wähler Trump in Wirtschaftsangelegenheiten, bei Harris sind es 43%.
Diese Entwicklung verstärkt die Sorgen auch in den deutschen Unternehmen, weil sie im Falle eines Wahlsiegs von Trump mit starken protektionistischen Tendenzen in den USA rechnen und Handelsverluste befürchten. Nach einer Umfrage des Münchner Ifo-Instituts erwarten 44% der deutschen Industrieunternehmen im Falle einer Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten negative Auswirkungen auf den eigenen Betrieb. 51% indes bekunden in der Befragung unter 2.000 Firmen, dass es keinen Unterschied mache, ob nun der Republikaner Trump oder die Demokratin Harris das Rennen mache. Aber nur 5% erwarten positive Effekte durch einen Sieg von Trump.
Bis zu 180 Mrd. Euro Verluste
Das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln hat einige Szenarien durchgerechnet. Danach drohen Deutschland im Falle eines Handelskriegs mit den USA unter einem Präsidenten Trump milliardenschwere Verluste, die sich binnen vier Jahren auf bis zu 180 Mrd. Euro summieren. Europas größte Volkswirtschaft wäre zudem stärker von einem Handelskrieg betroffen als alle anderen Euro-Länder. „Die Exportnation Deutschland mit ihrem besonders hohen Offenheitsgrad ist anfälliger für globale Handelskonflikte und eine entsprechend schwächere Weltwirtschaft“, sagte IW-Forscher Jürgen Matthes.
Das Institut hat mehrere Varianten durchgespielt. Sollte Trump die US-Zölle auf 20% erhöhen und die EU mit einem Vergeltungszoll von 20% auf amerikanische Importe gegenhalten, könnte dies zu einem Einbruch des deutschen Bruttoinlandsproduktes (BIP) von 1,5% im Jahr 2028 führen. Das Minus summiere sich bis dahin auf die genannten etwa 180 Mrd. Euro. In der Eurozone insgesamt wäre der BIP-Rückgang mit 1,3% nicht ganz so groß.
In einem zweiten Szenario geht das IW davon aus, dass eine Erhöhung der US-Zölle auf 10% auf alle Einfuhren und auf 60% auf Importe aus China ab dem Jahr 2025 kommt. Dem könnte ein EU-Vergeltungszoll von 10% auf Einfuhren aus den USA folgen. Hier wären die deutschen BIP-Verluste bis 2028 mit etwa 127 Mrd. Euro geringer.
Zollkrieg negativ für beide Seiten
„Ein transatlantischer Handelskrieg ist negativ für beide Seiten. Insbesondere für die deutsche Exportindustrie, die ohnehin in einer Krise steckt“, sagt Studienautor Thomas Obst. Trotzdem ist die Gegenstrategie der EU, auf Zollerhöhungen mit Zollerhöhungen zu reagieren, richtig. „Bestenfalls reicht die angedrohte Vergeltung der EU aus, um Trump in seine Schranken zu weisen“, sagt IW-Ökonomin Samina Sultan. „Zudem muss beiden Partnern klar sein, dass eine Partnerschaft auf Augenhöhe die Position beider gegenüber China stärkt.“ Darüber hinaus sollte die EU Freihandelsabkommen, etwa mit Südamerika oder im indopazifischen Raum aushandeln, um zu diversifizieren.
China im Blick behalten
Die Zolldrohungen Trumps sind dem IW zufolge nur eine relevante Facette davon, wie sich weltweit die Einstellungen zum offenen Handel geändert haben. Auch das Verhalten Chinas stelle dafür eine Herausforderung dar. „Darauf müssen die EU und Deutschland mit einer robusteren Handelspolitik reagieren“, so die Forscher. „Dazu gehören in diesen geopolitisch angespannten Zeiten die glaubhafte Androhung und in letzter Konsequenz auch Anwendung von Vergeltungsmaßnahmen als realpolitisch notwendiges Element.“
So zeigten die Simulationen, dass sich für den Fall, dass die EU mit einer gleichwertigen Zollerhöhung reagiert, der Effekt für die USA von solchen Maßnahmen ins Negative drehe. Für die EU und Deutschland werde er dagegen nur leicht negativer. „Für die USA wäre demnach eine Gegenreaktion der EU deutlich schädlicher als für die EU“, so das IW. „Die EU und Deutschland könnten also vergleichsweise glaubwürdig mit Vergeltung drohen.“ Somit könnte im besten Fall allein die Androhung von Vergeltungsmaßnehmen ausreichen, um die USA von einseitigen Zollerhöhungen abzuhalten.
De-Risking gegen Erpressbarkeit
Um politische Erpressbarkeiten zu begrenzen, sollten zudem durch ein gezieltes Derisking die kritischen Abhängigkeiten von Drittstaaten vermindert werden. „Dies kann etwa durch den Ausbau von Freihandelsabkommen erreicht werden“, heißt es in der Untersuchung. Zudem sollte sich die EU vor Überkapazitäten und wettbewerbsverzerrenden Subventionen insbesondere vonseiten Chinas schützen.
Trump sieht in Zöllen offenbar eine wirtschaftspolitische Allzweckwaffe, wie Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer sagte. „Mit ihnen soll nicht nur die amerikanische Industrie geschützt werden, sondern die erhofften Einnahmen sollen auch einen Umbau des Steuersystems weg von der direkten Einkommensbesteuerung finanzieren“, sagte der Experte.
Produktion in die USA verlagern?
Die Ifo-Umfrage zeigt, dass heruntergebrochen auf die Unternehmensebene naturgemäß besonders Firmen mit engen Wirtschaftsverbindungen in die USA mit negativen Folgen bei einem Trump-Sieg rechnen. Hier liegt der Anteil mit 48% über dem Durchschnitt. „Allerdings befürchten auch viele Unternehmen ohne direkte Exportbeziehungen in die USA negative Auswirkungen, denn sie können zum Beispiel als Zulieferer trotzdem indirekt betroffen sein“, schreibt Ifo-Forscher Andreas Baur.
Bei einem Trump-Sieg plant die überwiegende Mehrheit von 83% der deutschen Unternehmen keinerlei Anpassungsmaßnahmen. Lediglich 4% der Befragten erwägen beispielsweise eine stärkere Verlagerung der Produktion in die USA oder eine Anpassung ihrer Lieferketten, sollte Trump ins Weiße Haus einziehen. Rund 13% geben an, dies noch nicht zu wissen.