Einkaufsmanagerindex

Die Euro-Wirtschaft kühlt spürbar ab

Die Unternehmensstimmung im Euroraum hat sich im Juni angesichts der Mehrfachbelastung kräftiger als erwartet eingetrübt. Und zwar auf breiter Front: in der Industrie wie auch bei den Dienstleistern – und das in vielen Ländern.

Die Euro-Wirtschaft kühlt spürbar ab

ba Frankfurt

Stagnierende Nachfrage und explodierende Energiepreise haben das Wirtschaftswachstum im Euroraum und auch in dessen größten Volkswirtschaften im Juni deutlich gebremst. Nachdem sich an den ungünstigen Rahmenbedingungen so bald nichts ändern wird, schürt die deutlich eingetrübte Unternehmensstimmung die Rezessionssorgen – und es kommt zunehmend die Frage auf, wie stark die Europäische Zentralbank (EZB) die Zinsen erhöhen kann. Die rekordhohe Inflation von aktuell 8,1% spricht für eine kräftige Straffung der Zinszügel – was die Wirtschaft aber noch stärker bremsen könnte.

Der Industrie und Dienstleister zusammenfassende Einkaufsmanagerindex (PMI) Composite für den Euroraum fiel im Juni überraschend deutlich um 2,9 auf 51,9 Punkte und damit auf den niedrigsten Stand seit Februar 2021. Damit nähert sich das Stimmungsbarometer immer weiter der Kontraktionsschwelle an – Werte unterhalb von 50 Zählern signalisieren wirtschaftliche Schrumpfung.

Ökonomen hatten für Juni zwar einen Rückgang erwartet, aber nur auf 54,0 Zähler. „Dem Wirtschaftswachstum der Eurozone geht allmählich die Puste aus“, kommentierte Chris Williamson, Chefvolkswirt bei S&P Global, das vorläufige Umfrageergebnis. Der vormals kräftige Rückenwind durch den pandemiebedingten Nachfragestau lasse mehr und mehr nach und werde vom Schock der steigenden Lebenshaltungskosten und dem sinkenden Unternehmens- und Verbrauchervertrauen überkompensiert.

Höhepunkt der Preisdynamik

Der Preisdruck blieb so hoch wie nie zuvor bis Ausbruch der Pandemie – immerhin signalisiere die dritte Abschwächung des Kostenanstiegs in Folge, „dass der Höhepunkt der Teuerung hinter uns liegt“, wie es bei S&P Global hieß. Dass das Geschäftsklima so stark eingebrochen ist wie nur selten zuvor seit der Rezession im Jahr 2012, deutet laut Williamson auf einen bevorstehenden Ab­schwung hin, sofern die Nachfrage nicht wieder anziehe. Die Daten signalisierten ein aktuelles Wachstum von „mickrigen 0,2%“, nach plus 0,6% im ersten Quartal.

Ökonomen werten die Zahlen als enttäuschend und erwarten eine spürbare Abkühlung der Euro-Wirtschaft. Denn der Gegenwind wird nicht weniger, eher das Gegenteil ist der Fall: Neben der Unsicherheit und den Auswirkungen des Ukraine-Kriegs mit den Problemen bei der Gasversorgung sowie der Pandemie-Entwicklung mit dem verstärkten Lieferkettenstress sorgen zunehmend der Fachkräftemangel und die künftig steigenden Zinsen für Ungemach. „Wir schauen immer mehr in einen konjunkturellen Abgrund – noch sind wir nicht gefallen, aber allzu viele Schritte sind es nicht mehr bis zur Klippe“, mahnt etwa LBBW-Analyst Elmar Völker. Die hohe Inflation, anhaltende Lieferkettenprobleme und nun auch noch die immer realere Gefahr eines Gas-Lieferstopps aus Russland belasteten die Wirtschaft zunehmend.

Der Rückgang im Juni zeigte sich dabei breit basiert – einerseits gaben die Teilindizes der Dienstleister (um 3,3 auf 52,8 Punkte) als auch der Industrie (um 2,6 auf 52,0 Punkte) nach, andererseits zeigte sich die Stimmungseintrübung auch durchgängig auf Länderebene: So haben die Gesamtindizes für Deutschland (−2,4 auf 51,3 Punkte) und Frankreich (−4,2 auf 52,8 Zähler) nachgegeben und auch für die noch nicht gemeldeten Länder, insbesondere Italien und Spanien, deuten sich sowohl bei den Dienstleistern als auch in der Industrie jeweils kräftige Rückgänge an.

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