Die Steuerquellen sprudeln, aber die Ausgaben wachsen schneller
Steuerquellen sprudeln, aber die Ausgaben wachsen schneller
Neue Daten zur Finanzentwicklung der öffentlichen Haushalte im Jahr 2024 – Vor allem Länder und Sozialversicherungen fahren höhere Defizite ein
lz Frankfurt
Jenseits aller Debatten um eine Reform der deutschen Schuldenbremse, angepassten europäischen Schuldenregeln und der Einführung von Sondervermögen für Bundeswehr und öffentlicher Investitionen: Im vergangenen Jahr hatte Deutschland die Defizitquote erneut einhalten können – trotz höherer Ausgaben und steigender Defizite bei Ländern, Gemeinden und Sozialversicherungen, meldet das Statistische Bundesamt auf der Basis konsolidierter Daten.
Sozialleistungen teurer
Das gesamtstaatliche Defizit, also von Bund, Ländern, Kommunen und Sozialversicherungen zusammengenommen, erhöhte sich 2024 um 15 Mrd. Euro auf knapp 119 Mrd. Euro, melden die Statistiker. Dabei haben die Staatseinnahmen erstmals die Marke von 2 Bill. Euro überschritten. Die Ausgaben für Sozialleistungen wie Renten, Pensionen, Pflege- und Bürgergeld sind aber noch stärker gestiegen (plus 5,3%). Zudem wurden Kredite angesichts höherer Zinsen um 24,2% teurer. Und während der Bund sein Defizit senken konnte, wuchs die Finanzlücke bei Ländern und Gemeinden, zugleich rutschten die Sozialversicherungen ins Minus.
Steuern sprudeln
Immerhin scheinen die Steuern trotz der hartnäckigen Wirtschaftsschwäche zunächst weiter zu sprudeln, wie das Bundesfinanzministerium in seinem Monatsbericht schreibt. Im Januar legten die Steuereinnahmen zum Vorjahresmonat um 8,9% auf 66,75 Mrd. Euro zu. Höhere Einnahmen gab es dabei bei der Abgeltungsteuer auf Zins- und Veräußerungserträge und bei der Lohnsteuer. Niedrigere Einnahmen wurden bei der Mehrwertsteuer und der Körperschaftsteuer verzeichnet, die Unternehmen zahlen.
Im vergangenen Jahr entfiel mit 62,3 Mrd. Euro gut die Hälfte des gesamtstaatlichen Finanzierungsdefizits auf den Bund. Dieser konnte sein Minus dennoch um 30,5 Mrd. Euro verringern. Bei Ländern und Gemeinden gab es hingegen deutliche Zuwächse: Das Defizit der Länder verdreifachte sich im Vorjahresvergleich auf 27,3 Mrd. Euro, bei den Kommunen nahm es um 7,6 Mrd. auf 18,6 Mrd. Euro zu. Und während die Sozialversicherung 2023 noch einen Überschuss von 9 Mrd. Euro erzielt hat, musste sie nun ein Finanzierungsdefizit von 10,6 Mrd. Euro hinnehmen. „Damit verzeichneten erstmals seit dem Jahr 2009 alle vier Teilsektoren des Staates ein Finanzierungsdefizit“, konstatieren die Statistiker.
Defizite und Schulden international
Insgesamt liegt das deutsche Defizit mit 2,8% des Bruttoinlandsprodukts (BIP) im Vergleich zu den Nachbarländern aber noch recht niedrig. Ausweislich einer Schätzung von Eurostat dürfte das Defizit der Eurozone im Schnitt etwa 3,7% betragen. Italien, Frankreich, Belgien, Polen und Spanien liegen teilweise schon seit Jahren weit darüber.
Auch die Gesamtverschuldung Deutschlands war 2024 mit rund 63% des BIP vergleichsweise günstig. Die USA sind mit rund 120% ihrer Wertschöpfung verschuldet und werden in wenigen Jahren wohl auf 180% steigen, wie der Internationale Währungsfonds (IWF) warnt. Japan hat die 200-Prozent-Schwelle längst überschritten; Italien, Frankreich, Belgien und Spanien sind bereits über der 100-Prozent-Schwelle.
Debatte um Schuldenbremse
Angesichts der Wirtschaftskrise und des Drucks, mehr Geld für Verteidigung und für öffentliche Investitionen auszugeben, ist eine Debatte um eine Lockerung der Schuldenbremse entbrannt. Für eine Reform der im Grundgesetz verankerten Schuldenbremse braucht es allerdings eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Bundestag, die in der neuen Zusammensetzung nur mit den Stimmen der AfD oder der Linkspartei zu erreichen ist.