EBRD fürchtet Kriegsfolgen für Nordafrika
hip London
Die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD) geht davon aus, dass sich die russische Invasion der Ukraine weit über Osteuropa hinaus auswirken wird. Wie das einst als Osteuropabank bekannte Institut mitteilt, sind die nordafrikanischen Volkswirtschaften sowie der Libanon in hohem Maße vom reduzierten weltweiten Weizenangebot betroffen. Die Renditen von ägyptischen Dollar-Staatsanleihen seien prompt gestiegen. Derweil erhöhe sich der Druck auf die Währungen der Länder im Kaukasus und in Zentralasien, weil an den Finanzmärkten geopolitische Risiken neu bewertet würden. Die EBRD senkte ihre Prognose für das Wirtschaftswachstum der von ihr betreuten Länder im laufenden Jahr um 2,5 Prozentpunkte auf 1,7 %. Für die Region Osteuropa und Kaukasus geht sie nun von einer Schrumpfung um 12 % aus. Die ukrainische Volkswirtschaft wird nach Schätzung des Instituts um ein Fünftel einbrechen. Allerdings setzt es bereits für 2023 ein Wachstum von 23 % an, sollte es binnen weniger Monate zu einem Friedensschluss kommen.
„Der Krieg gegen die Ukraine hat tiefgreifende Auswirkungen auf die Volkswirtschaften in den EBRD-Regionen und der ganzen Welt“, sagte die Chefvolkswirtin der Förderbank Beata Javorcik. „Der Inflationsdruck war vor dem Krieg schon hoch und wird mit Sicherheit steigen, was unverhältnismäßige Auswirkungen auf Länder mit niedrigen Einkommen, in denen wir tätig sind, und die ärmeren Bevölkerungsschichten in den meisten Ländern haben wird.“ Europa verzeichne zudem die größte Fluchtbewegung seit dem Zweiten Weltkrieg.
Schub durch Zuwanderung
Manche Länder könnten davon profitieren, heißt es im Update zur Wirtschaftsentwicklung der Länder, in denen die Bank tätig ist: „Wenn die Geschichte eine Richtschnur darstellt, könnten die vergleichsweise qualifizierten Zuwanderer aus der Ukraine den rasant alternden europäischen Volkswirtschaften langfristig einen Schub geben, vor allem wenn sie in weniger dicht besiedelte Regionen ziehen.“
In Ägypten und Tunesien könnten Subventionen und/oder Preisobergrenzen für Nahrungsmittel und Kraftstoffe den Anstieg der Lebenshaltungskosten begrenzen. Das stelle jedoch eine Belastung der öffentlichen Haushalte dar. Wesentliche Teile der Bevölkerung von Ägypten, Marokko und Tunesien seien nicht in der Lage, sich ausreichend zu ernähren, wenn die Preise steigen und die Regierungen keine Hilfsprogrammen auflegen. Russische und ukrainische Touristen machten in den vergangenen Jahren in Ägypten rund ein Fünftel der Gäste aus. In Tunesien kamen 7 % aus Russland. Die EBRD senkte ihre Prognose für das Wirtschaftswachstum der Region SEMED (Nahost und Nordafrika) um 1,7 Prozentpunkte auf 2,5%.