Energiepreise kosten kaum Wettbewerbsfähigkeit
Euro-Länder sind wettbewerbsfähig
Bundesbank-Studie zu Preisdaten – 2022 stärkste je gemessene Verschiebungen binnen Jahresfrist
ba Frankfurt
Die Bundesbank schätzt die preisliche Wettbewerbsfähigkeit sowohl für Deutschland als auch für den Euroraum als günstig ein. Diese sei bereits seit über einem Jahrzehnt hoch. Anders sieht es dagegen bei den wichtigen Handelspartnern USA und China aus: Hier zeigt die Analyse im Bundesbank-Monatsbericht Oktober, der am Montag vorgelegt wurde, dass deren preisliche Wettbewerbsfähigkeit eher „als ungünstig einzuschätzen war“.
Gerade die Verwerfungen an den Energiemärkten im vergangenen Jahr hätten jedoch gezeigt, dass die Wettbewerbsposition Deutschlands auch Herausforderungen ausgesetzt sei. So habe sich die preisliche Wettbewerbsfähigkeit für energieintensive Unternehmen „bereits deutlich verschlechtert“, mahnt die Bundesbank.
Gegen Brückenstrompreis
Der Staat könne zur Aufrechterhaltung der „nach wie vor günstigen“ preislichen Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands beitragen, indem er geeignete Rahmenbedingungen setze und so unter anderem Effizienzsteigerungen und die Sicherheit der Energieversorgung unterstütze. Den von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck angedachten Brückenstrompreis, mit dem besonders energieintensive Firmen entlastet werden sollen, lehnt die Bundesbank aber ab. „Eine solche Subvention drohte den Strukturwandel zu verlangsamen und wäre insofern nicht zielführend für die Energiewende.“ Zudem wäre der Effekt auf die preisliche Wettbewerbsfähigkeit überschaubar. Von Anfang 2021 bis Juli 2023 stiegen die relativen Energiepreise zwar um 5,0% und die preisliche Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands verminderte sich im Ergebnis dadurch um 0,2%. Dem stehe eine Verbesserung durch die Abwertung des Euro zum Dollar um etwa 1,4% gegenüber, „so dass der negative Kosteneffekt gesamtwirtschaftlich betrachtet – nach unseren Berechnungen – mehr als aufgefangen wurde“.
Deutlich höhere Belastungen in Chemie- und Papierbranche
Auch ohne Euro-Abwertung und staatliche Subventionen dürften die Folgen der hohen Energiepreise für die internationale Konkurrenzfähigkeit der hiesigen Wirtschaft zuletzt vernachlässigbar gering gewesen sein. „Es ist aber zu berücksichtigen, dass es sich bei einem Indikator der preislichen Wettbewerbsfähigkeit um ein gesamtwirtschaftliches Konzept handelt“, hieß es bei der Bundesbank. In Branchen mit höherem Energiekostenanteil – etwa der Chemie- und der Papierindustrie – seien die Belastungen um ein Vielfaches höher als im Schnitt. Zudem seien die Energiekosten hierzulande gegenüber den Energiekosten einzelner Wettbewerber im Betrachtungszeitraum deutlich gestiegen. „Bei sonst gleichen Bedingungen dürften daher die Anreize zugenommen haben, Investitionen in energieintensive Industrieanlagen in Ländern mit vergleichsweise niedrigen Energiekosten zu tätigen“, mahnte die Notenbank. Produktivitätsgewinne in Deutschland könnten einer solchen Entwicklung entgegenwirken.
Größte Verschiebungen innerhalb eines Jahres
Zu den weiteren Erkenntnissen der Bundesbank-Analyse gehört, dass die hohen Inflationsraten 2022 die größten Verschiebungen innerhalb eines Jahres für etliche Euro-Länder im Vergleich zum übrigen Euroraum seit Einführung der Gemeinschaftswährung verursacht haben. Dabei habe sich die preisliche Wettbewerbsfähigkeit von Ländern mit besonders hohen Teuerungsraten je nach deren Handelsstruktur spürbar verschlechtert, heißt es im Bundesbank-Monatsbericht. In anderen Ländern hingegen hätten sich merkliche Verbesserungen gezeigt. „Die preisliche Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands war von diesen Effekten allerdings kaum betroffen, diejenige des Euroraums als Ganzem wurde durch relativ hohe Preissteigerungsraten für sich genommen belastet“, schließen die Ökonomen aus der Analyse des realen Wechselkurses.
Große Unterschiede bei Höhe und Dynamik
Dieser einfache Indikator der preislichen Wettbewerbsfähigkeit setzt sich aus dem nominalen Wechselkurs und den Teuerungsraten im In- und Ausland zusammen. Die Hochinflationsphase seit 2021 habe viel Bewegung in die Relativpreisentwicklung zwischen Ländern innerhalb und außerhalb der Währungsunion gebracht – da sich die Inflationsraten in den Ländern in Höhe und Dynamik unterschieden, heißt es bei der Bundesbank. Eine im Ländervergleich hohe Teuerung im Inland und eine nominale effektive Aufwertung des Euro belasten tendenziell die preisliche Wettbewerbsfähigkeit heimischer Produzenten.
So lagen die Vorjahresraten der nach europäischen Zwecken berechneten Inflation (HVPI) 2020 zwischen –1,3% in Griechenland und 2,0% in der Slowakei und waren 2021 für alle Länder positiv. Gemessen am Deflator des Gesamtabsatzes, der unter anderem auch die Kosten importierter Vorleistungen – wie eben für die seit Beginn des Ukraine-Kriegs kräftig gestiegenen Energiepreise – enthält, zeigten sich 2020 die Jahresteuerungsraten in einer Spanne zwischen –2,7% in Griechenland und 1,8% in Frankreich. 2021 stiegen sie in allen Ländern. 2022 erreichten die Teuerungsraten in allen Euro-Mitgliedsländern ihre Höchststände seit der Euro-Einführung. Als Ausnahme nennt die Bundesbank die Slowakei (gemessen am HVPI) und Irland (gemessen am Deflator des Gesamtabsatzes). Die höchsten Jahresveränderungsraten zeigten sich dabei in den baltischen Staaten, die geringsten in Frankreich und Irland.
2020 waren die Abweichungen der nationalen Teuerungsraten aller Euro-Länder von der im Euroraum unauffällig – unabhängig davon, ob gemessen am HVPI oder dem Deflator des Gesamtabsatzes. 2021 und vor allem 2022 änderte sich dies laut den Bundesbank-Ökonomen: Beim HVPI seien 2022 die Abweichungen bei acht von 19 Euro-Ländern um ein Vielfaches höher als im Durchschnitt der Vorjahre ausgefallen. „Beim Deflator des Gesamtabsatzes, der für die preisliche Wettbewerbsfähigkeit noch relevanter ist, ist das Bild noch frappierender: Hier übertreffen die Abweichungen von 14 der 19 Länder des Euroraums den Durchschnittswert der Vorjahre um mindestens das Doppelte.“
Deutschland gehört zu den Ausnahmen
Zu den Ländern „mit einer weit unterdurchschnittlichen Inflation und damit einer merklichen Verbesserung der preislichen Wettbewerbsfähigkeit“ zählt die Bundesbank unter anderem Frankreich, Österreich und Zypern, wegen der niedrigen Teuerung 2022 aber auch Italien. Am anderen Ende des Spektrums stehen mit einer weit überdurchschnittlichen Inflation und damit einer merklichen Verschlechterung der preislichen Wettbewerbsfähigkeit vor allem die baltischen Länder, aber auch Belgien, die Niederlande und Slowenien. Deutschland gehörte zu den wenigen Euro-Ländern, in denen die Inflationsdifferenz gegenüber dem Euroraum selbst 2022 „sehr gering“ war und sich die preisliche Wettbewerbsfähigkeit verbesserte. „In der Diskussion um den Einfluss von Energiepreissteigerungen oder allgemein der hohen Inflation auf die preisliche Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands sollte also bedacht werden, dass die gesamtwirtschaftliche preisliche Wettbewerbsfähigkeit einiger anderer Länder des Euroraums in den letzten Jahren weit stärker von diesen Entwicklungen belastet wurde“, forderte die Bundesbank.
Die Bundesbank bescheinigt Deutschland und dem Euroraum eine "günstige" preisliche Wettbewerbsfähigkeit. Während die höheren Energiepreise kaum Auswirkungen haben, bringt die Inflation 2022 die deutlichsten je gemessenen Verschiebungen im Vorjahresvergleich, heißt es im Monatsbericht Oktober.