Im Interview:Huang Yiyang

„Es gibt keinen Grund für geopolitische Spannungen“

Seit wenigen Wochen gelten europäische Strafzölle auf Elektroautos aus China. Zudem droht der künftige US-Präsident Donald Trump Peking mit hohen Zöllen. Chinas Generalkonsul in Frankfurt, Huang Yiyang, spricht am Rande der "Euro Finance Week" im Interview über geopolitische Konflikte, Probleme der chinesischen Wirtschaft und die zunehmende Bedeutung von BRICS.

„Es gibt keinen Grund für geopolitische Spannungen“

Im Interview: Huang Yiyang

„Es gibt keinen Grund für geopolitische Spannungen“

Chinas Generalkonsul in Frankfurt hofft auf eine bessere Zusammenarbeit seines Landes mit Deutschland

Seit wenigen Wochen gelten europäische Strafzölle auf Elektroautos aus China. Chinas Generalkonsul in Frankfurt, Huang Yiyang, spricht im Interview über geopolitische Konflikte, Probleme der chinesischen Wirtschaft und deren Lösung sowie die zunehmende Bedeutung von BRICS.

Herr Generalkonsul Huang, die chinesische Wirtschaft wächst derzeit etwas schwächer, als es die Zielvorgabe der Regierung von 5% vorsieht. Weshalb?

Wir erleben gerade einigen Gegenwind aufgrund geopolitischer Spannungen. Die ausländischen Direktinvestitionen sind deshalb niedriger, als sie es sein könnten, die Nachfrage nach chinesischen Exporten ist geringer, und auch der Konsum innerhalb Chinas fällt wegen der Unsicherheit durch die geopolitische Lage schwächer aus. Zudem ist der Immobiliensektor in China mit Schwierigkeiten konfrontiert.

Die Probleme im chinesischen Immobiliensektor – Stichwort Insolvenz von Evergrande – gingen auch in Deutschland durch die Presse. Weshalb erlebt die Branche gerade schwierige Zeiten, und wie will die Regierung das ändern?

In China wurde der Immobilienmarkt erst vor etwa 20 Jahren für die Marktwirtschaft geöffnet. Seitdem hat er auch eine entscheidende Rolle bei der Ankurbelung des Wirtschaftswachstums gespielt. Im Vergleich zu Europa und den USA fehlt es uns jedoch noch an ausreichender Erfahrung im Marktbetrieb und Risikomanagement. Daher ist es normal, dass der Immobilienmarkt gewissen Schwankungen unterliegt. Als Reaktion auf die Probleme auf dem Immobilienmarkt hat die chinesische Regierung eine Reihe von Maßnahmen ergriffen, die darauf abzielen, eine irrationale Marktentwicklung einzudämmen und einen stabilen Betrieb der Branche zu fördern. Mit Erfolg: Wir sehen erste Anzeichen für einen Wiederanstieg der Immobilienpreise.

Die chinesische Regierung beschließt derzeit eine ganze Reihe an Maßnahmen mit dem Ziel, das Wirtschaftswachstum zu stärken. Wie genau soll das funktionieren?

Das kürzlich vorgestellte Konjunkturpaket umfasst fünf Schlüsselbereiche: Stärkung der Binnennachfrage, größere Unterstützung für Unternehmen, bessere Umsetzung der makroökonomischen Politik, Ankurbelung des Kapitalmarktes und die bereits angesprochene Stabilisierung des Immobilienmarktes. Nicht nur auf dem Immobilienmarkt zeigen sich allmählich Auswirkungen. In jüngster Zeit ist zum Beispiel der Absatz von Produkten wie Autos, Haushaltsgeräten, Bürobedarf und Haushaltswaren gestiegen. Sowohl in den traditionellen als auch in den aufstrebenden Branchen hat sich das Geschäftsklima stark verbessert. Der Aktienmarkt hat sich ebenfalls deutlich erholt.

Zweistellige Wachstumsraten halte ich nicht mehr für realistisch.

Ist es realistisch, dass China mittelfristig wieder Wachstumsraten von deutlich über 5% realisieren kann, oder sind diese Zeiten vorbei?

Die chinesische Wirtschaft ist in den vergangenen Jahren stark gewachsen und hat viele Bewohner des Landes zu Wohlstand gebracht. China ist inzwischen die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt. Ein Wachstum von 5% entspricht in etwa dem Bruttoinlandsprodukt der gesamten Niederlande. Zweistellige Wachstumsraten halte ich daher nicht mehr für realistisch.

China droht heftiger Gegenwind durch die neue US-Regierung. Welche wirtschaftlichen Folgen erwarten Sie?

Um das zu beurteilen, ist es noch zu früh. Wir müssen erst abwarten, was Donald Trump wirklich umsetzt. Grundsätzlich gilt aber, dass internationale Zusammenarbeit für den Wohlstand besser ist als Protektionismus.

Die EU hat kürzlich erst Strafzölle gegen Elektroautos aus China verhängt und begründet dies mit den massiven Subventionen Chinas für die Branche. Ich nehme an, diesen Schritt können Sie nicht nachvollziehen.

Nein, überhaupt nicht. Es gibt in China über 200 Unternehmen, die Elektroautos herstellen und die sich auch in Konkurrenz zueinander befinden. Diese Firmen sind nicht in Staatsbesitz. Und ihr Erfolg liegt auch nicht an Subventionen. Subventionen in dieser Größenordnung wären auch gar nicht möglich. Diese Unternehmen sind erfolgreich, weil sie über viel Know-how verfügen und sich anders als die Autobauer in Europa oder den USA auf die Elektromobilität konzentrieren. Sie haben keine Altlasten aus ihrer Vergangenheit. Dasselbe gilt für Tesla, die deshalb in den USA führend ist.

China möchte nicht belehrt oder moralisiert werden.

Deutschland hat zwar die Strafzölle nicht unterstützt, dennoch ist das Verhältnis mit China angespannt. Was wünschen Sie sich von der künftigen Regierung?

Ich wünsche mir, dass Deutschland China so betrachtet wie China die Bundesrepublik. Deutschland ist kein Rivale für uns, sondern ein Partner. Wir verfolgen ähnliche Interessen, etwa in Bezug auf einen freien Welthandel. Es gibt auch keinen Grund für geopolitische Spannungen. Deutschland und China teilen keine gemeinsame Grenze. Wir haben teilweise unterschiedliche politische Ansichten, und das ist auch okay. China möchte aber nicht belehrt oder moralisiert werden. Und wir wollen keine Einmischung in unsere Innenpolitik, so wie wir uns nicht in die Innenpolitik anderer Länder einmischen.

China ist Teil der Vereinigung BRICS, die in diesem Jahr vier weitere Mitglieder aufgenommen hat. Erwarten Sie, dass der Einfluss von BRICS in der Geopolitik weiterwächst?

BRICS ist zum Symbol für den globalen Süden geworden, der fordert, besser gehört zu werden. BRICS will nicht die Führungsrolle in der Geopolitik einnehmen. Wir wollen das aktuelle System mit UN, WTO, Weltbank und IWF als zentralen Organisationen fördern. In diesen Institutionen will der globale Süden aber auch den Einfluss haben, der ihm aufgrund seiner Bevölkerung und seiner Wirtschaftskraft zusteht. Diese Forderung wird immer lauter, was sich daran widerspiegelt, dass 40 weitere Länder derzeit an einer Mitgliedschaft interessiert sind und es seit diesem Jahr 13 Partnerstaaten gibt, die ein Assoziierungsabkommen mit BRICS geschlossen haben.

Organisationen wie die WTO stehen in der Kritik, dass sie an Bedeutung verloren haben und Reformen, um dies zu ändern, nicht vorankommen. Stimmen Sie in die Kritik ein?

Die Lage ist schwierig. Einige Länder sind nicht bereit, Einfluss abzugeben, damit der globale Süden den Einfluss bekommt, der ihm zusteht. Dennoch sind Organisationen wie die WTO weiterhin bedeutsam. Sie sind der einzige Ort, wo alle Länder der Welt zusammenkommen und sich über wichtige Themen unterhalten.

Das Interview führte Martin Pirkl.

Das Interview führte Martin Pirkl.

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