EU-Abgeordnete uneins über Taxonomie-Pläne
ahe Brüssel
Im Streit um eine mögliche Einstufung von Atomenergie und Erdgas als „nachhaltig“ nimmt die Debatte auch im Europaparlament an Fahrt auf. Zu den Unterstützern einer grünen Klassifizierung der beiden Energiearten gesellte sich jetzt auch der einflussreiche CSU-Politiker und Vorsitzende der EVP-Fraktion, Manfred Weber. „Jeder, der realistisch auf die Energiebedarfe blickt, weiß, dass es ohne die beiden Brückentechnologien in der EU insgesamt nicht gehen wird“, sagte er der Mediengruppe „Straubinger Tagblatt/Landshuter Zeitung“.
Webers Worten zufolge steht die EVP-Fraktion – die größte Fraktion im EU-Parlament – den Vorschlägen der Kommission „mehrheitlich grundsätzlich positiv gegenüber“. Allerdings hatten sich in den vergangenen Tagen auch schon Kritiker aus den Reihen der EVP zu Wort gemeldet, unter anderem Webers Parteikollege Markus Ferber und der österreichische Vizepräsident des Parlaments, Othmar Karas. Das EU-Parlament könnte eine grüne Klassifizierung von Atom und Erdgas mit einfacher Mehrheit verhindern.
Die EU habe sich das große Ziel gesetzt, bis zum Jahr 2050 klimaneutral zu werden. Nun tue man gut daran zu respektieren, dass jeder seinen Weg gehe, das gemeinsame Ziel zu erreichen, argumentierte jetzt Weber. „Wir Deutschen wollen das ohne Kernkraft und ohne Kohle erreichen. Frankreich möchte den Weg mit Kernkraft gehen.“
Die Grünen im EU-Parlament wollen hingegen eine mögliche Klage der österreichischen Regierung unterstützen, wie die Fraktionsvorsitzende Ska Keller der „Rheinischen Post“ sagte. „Atomenergie ist unsicher und die Lagerung des Atommülls weiterhin ungeklärt, deswegen kann hier von Nachhaltigkeit keine Rede sein“, sagte sie. „Im Europäischen Parlament werden wir diesen Vorschlag ablehnen.“
Sie hoffe, dass auch die Mitgliedstaaten nicht zustimmen werden, so Keller. In vielen Ländern zeichne sich das bereits ab – neben Deutschland zum Beispiel auch in Spanien und Österreich.
Für eine mögliche Klage gegen eine Nachhaltigkeits-Einstufung von Atomenergie in der Taxonomie sieht zumindest die Anwaltskanzlei Redeker Sellner Dahs gute Möglichkeiten. In einem 77 Seiten umfassenden Rechtsgutachten für das österreichische Umwelt- und Klimaministerium listete die Kanzlei eine ganze Reihe von Gründen auf, warum Atomkraft in der Taxonomie-Verordnung nicht als grün eingestuft werden darf. Umweltministerin Leonore Gewessler hatte bereits angekündigt, eine Klage zu prüfen.
„Jeder auf der Grundlage der Taxonomie-Regulierung erlassene delegierte Rechtsakt, der die Kernenergie irgendwie in die europäische Taxonomie einbezieht, könnte vor den EU-Gerichten angefochten werden“, heißt es in der bereits im Juli fertig gestellten Studie, die der Börsen-Zeitung vorliegt. „Am naheliegendsten wäre die Erhebung einer Nichtigkeitsklage.“
Die Anwälte argumentieren unter anderem, dass Atomenergie keinen substanziell positiven Effekt auf die Umwelt habe, wie von der Taxonomie gefordert. Und obwohl die Atomkraft häufig als kohlenstoffarm angesehen werde, reiche dies als solches nicht aus, um die von den EU-Gesetzgebern festgelegten Kriterien zu erfüllen. Hinzu komme: Betrachte man Kernkraft als kohlenstoffarme Aktivität, könne sie nicht von vornherein als Übergangsaktivität betrachtet werden. Die Studie verweist zugleich darauf, dass es mit der Wind- und der Solarenergie geeignete Alternativen gebe.