Euro-Arbeitslosigkeit niedrig wie nie
ast Frankfurt
Der Arbeitsmarkt der Eurozone entwickelt sich weiter erfreulich. Im Juli sank die Arbeitslosenquote um 0,1 Prozentpunkte und liegt nun mit 6,6% auf einem Allzeittief. In der EU insgesamt fiel die Quote auf 6,0%. Das geht aus der aktuellen Monatsstatistik hervor, die das Statistikamt Eurostat vorstellte. Seit der Erhebung der Daten im Jahr 1999 lag die Arbeitslosenquote nie niedriger. Damit zeigt sich der Arbeitsmarkt unbeeindruckt von den derzeitigen Schwierigkeiten wie Lieferkettenproblemen, der hohen Inflation und der Gasknappheit.
Im Jahresvergleich ist die Arbeitslosigkeit im gemeinsamen Währungsraum deutlich gesunken. Im Juli 2021 hatte die Quote noch bei 7,7% gelegen. Damals war die Wirtschaft der Eurozone noch durch zahlreiche Einschränkungen zur Eindämmung der Corona-Pandemie belastet. Allerdings hat das Statistikamt die Arbeitslosenquote für den Monat Juni nach oben revidiert. Nachdem zuvor eine Quote von 6,6% gemeldet worden war, gilt jetzt ein Wert von 6,7%. Bereits in den Monaten April und Mai hatte die Arbeitslosenquote für die Eurozone bei 6,7% gelegen.
Den Luxemburger Statistikern zufolge waren im Juli in der EU knapp 13 Millionen Menschen arbeitslos, davon knapp 11 Millionen in der Eurozone. Das entspricht einem Minus von 1,9 bzw. 1,6 Millionen Arbeitslosen gegenüber dem Vorjahresmonat. Auch die Jugendarbeitslosigkeit ging nach einem leichten Anstieg im Frühsommer wieder spürbar zurück.
Die niedrigsten Arbeitslosenquoten nach der europäischen Rechenweise der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) weisen Tschechien (2,3%), Polen (2,6%) und Deutschland (2,9%) auf. Die höchste Quote messen die Statistiker in Spanien mit 12,6%, gefolgt von Griechenland mit 11,4%. Auch bei der Arbeitslosigkeit von Personen unter 25 Jahren liegen Griechenland (28,5%) und Spanien (26,9%) vorn.
Arbeitsmarkt am Scheideweg
Ökonomen sprechen von einer Entkopplung von starkem Arbeitsmarkt und Konjunktur, die während der vergangenen Monate – seit dem russischen Angriff auf die Ukraine – zunehmend schwächelt. „Der Arbeitsmarkt befindet sich derzeit an einem interessanten Scheideweg“, analysiert Bert Colijn, ING-Ökonom für die Eurozone. „Die Beschäftigungserwartungen der Unternehmen sind leicht rückläufig, und die Wirtschaft bewegt sich derzeit auf eine Rezession zu.“ Angesichts der angespannten Arbeitsmärkte in vielen Ländern des Euroraums aufgrund des zunehmenden Fachkräfte- und Arbeitskräftemangels erklären Ökonomen die Entkopplung damit, dass Unternehmen Arbeitskräfte horten, um ihre Personalausstattung sicherzustellen, sobald sich die Wirtschaft von ihrem derzeitigen Rezessionskurs erholt.
Gleichzeitig steigt das Risiko einer Preis-Lohn-Spirale. Der anhaltende Fachkräfte- und Arbeitskräftemangel könnte den Lohndruck erhöhen – und so die Inflationsrate noch weiter nach oben treiben. Dafür „gibt es jedoch bisher kaum Anzeichen“, so Colijn. Dennoch rechnen Analysten mit einem höheren Lohnwachstum. Allerdings in gemäßigtem Rahmen, da die Rezessionsgefahr die Aussichten auf Lohnerhöhungen dämpfe. Selbst im Falle einer konjunkturellen Schrumpfung rechnet Colijn aber nicht mit einer stark ansteigenden Arbeitslosenquote: „Sollte es tatsächlich zu einer Rezession kommen, ist mit einer Arbeitslosenquote zu rechnen, die sich von den derzeitigen historisch niedrigen Werten leicht nach oben bewegt.“
Die Arbeitslosigkeit in Deutschland hatte im August bereits etwas zugenommen. Andrea Nahles, Vorsitzende der Bundesagentur für Arbeit (BA), bezeichnete den Jobmarkt hierzulande am Mittwoch dennoch als „robust“. Und sandte einen Appell an die jungen Erwachsenen im erwerbsfähigen Alter: Sie sollten eine Berufsausbildung anstreben, die Verdienstmöglichkeiten seien nicht schlecht. Der Ausbildungsmarkt ist derzeit das Sorgenkind der Nürnberger Behörde. Immer mehr angebotenen Lehrstellen stehen immer weniger Bewerber gegenüber – nur ein Zeichen dafür, dass sich der Fachkräftemangel in näherer Zukunft nicht lindern lässt.
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