Konjunktur

Euro-Daten verstärken EZB-Dilemma

Rekordinflation auf der einen Seite, Konjunktursorgen und Kriegsängste auf der anderen Seite – die EZB befindet sich vor ihrer Sitzung nächste Woche in einer sehr diffizilen Lage.

Euro-Daten verstärken EZB-Dilemma

ms Frankfurt

Rekordanstieg bei den Erzeugerpreisen, Rekordtief bei der Arbeitslosigkeit, eine sich aufhellende Stimmung bei den Unternehmen, zumindest vor Ausbruch des Ukraine-Kriegs: Wenige Tage vor der zentralen EZB-Sitzung nächste Woche gab es am Donnerstag gleich eine Reihe Daten aus der Euro-Wirtschaft, die zumindest für eine schrittweise Straffung der Geldpolitik sprechen. Zugleich wächst aber die Sorge vor einem schweren Konjunkturdämpfer infolge des Kriegs in der Ukraine.

Die Europäische Zentralbank (EZB) gerät damit immer stärker in die Bredouille: Einerseits kennt die ohnehin rekordhohe Inflation aktuell kein Halten, was für ein geldpolitisches Gegensteuern spricht. Anderseits ist da die Sorge um die Konjunktur, wobei nach der Omikron-Coronawelle im Winterhalbjahr und den anhaltenden globalen Lieferengpässen nun die militärische Eskalation als Risiko im Mittelpunkt steht. Der EZB-Rat tagt am 10. März, um den weiteren Kurs festzulegen.

Lane mahnt Geduld an

Vor Beginn der einwöchigen Schweigephase vor der Sitzung hatte EZB-Chefvolkswirt Philip Lane am Mittwochabend gesagt, dass die EZB alles tun werde, um die Euro-Wirtschaft in der Zeit des Krieges zu unterstützen. Zudem sagte er, die EZB solle nicht überhastet auf die hohe Inflation reagieren. Im Fall ei­nes negativen Angebotsschocks könne die Zeitspanne, in der die Inflation zu ihrem Zielniveau zurückkehrt, ausgedehnt werden, um einen starken Rückgang der Wirtschaftsaktivitäten und der Beschäftigung zu vermeiden.

Am Donnerstag nun wurde bekannt, dass im Januar die Preise der Hersteller in der Eurozone wegen der Kostenexplosion im Energiesektor sprunghaft angestiegen sind. Die Erzeugerpreise gewerblicher Produkte legten um den Rekordwert von 30,6% zum Vorjahresmonat zu, wie das Statistikamt Eurostat mitteilte. Von Reuters befragte Ökonomen hatten nur mit 27,0% gerechnet. Allein bei Energie gab es einen Anstieg von 85,6%. Klammert man den Be­reich aus, zogen die Erzeugerpreise um 11,7% an. Die Produzentenpreise gelten als Frühindikator für die Entwicklung der Verbraucherpreisinflation.

Damit verstärkt sich der ohnehin hohe Preisdruck weiter. Erst am Mittwoch hatte Eurostat gemeldet, dass die Teuerungsrate im Euroraum im Februar von 5,1% auf 5,8% gesprungen ist. Sie erreichte damit erneut ein absolutes Rekordniveau und übertraf wieder die ursprünglichen Erwartungen von Experten bei weitem. In den nächsten Monaten dürfte es weiter nach oben gehen – auch wegen der weiteren Verteuerung von Energie durch den Ukraine-Krieg.

Ebenfalls am Donnerstag meldete Eurostat zudem, dass im Januar die Arbeitslosenquote zum Vormonat um 0,2 Prozentpunkte auf 6,8% gesunken ist. Seit der Einführung des Euro im Jahr 1999 war die Quote nie niedriger. Volkswirte hatten mit 6,9% gerechnet. Im Vorjahresmonat hatte die Quote bei 8,3% gelegen. „Die Nachfrage nach Arbeitskräften boomt derzeit weiter und erhöht den Druck auf die Löhne weiter“, sagte Bert Colijn, leitender Volkswirt für die Eurozone bei der ING.

Tatsächlich war die unerwartet po­sitive Entwicklung am Euro-Arbeitsmarkt in den vergangenen Monaten neben der rekordhohen Inflation ein weiterer wesentlicher Faktor dafür, dass die EZB Anfang Februar nach langem Zaudern eine raschere Normalisierung ihrer Geldpolitik avisiert hatte. Die EZB will insbesondere verhindern, dass sich die aktuell hartnäckige Inflation über eine Lohn-Preis-Spirale weiter verfestigt. In den vergangenen Tagen hat sich das Blatt aber mit dem Ukraine-Krieg gewendet, und bei vielen Euro-Hütern dominieren die Konjunkturängste.

Zumindest vor Ausbruch des Kriegs waren die Unternehmen im Euroraum aber guter Stimmung. Der Einkaufsmanagerindex des Forschungsunternehmens IHS Markit stieg im Februar gegenüber Januar um 3,2 Punkte auf 55,5 Zähler, wie Markit am Donnerstag mitteilte. Eine erste Schätzung wurde damit leicht nach unten korrigiert. Nach der Ab­schwächung im Januar habe die Wirtschaft wieder an Fahrt gewonnen, hieß es. Dazu hätten die nachlassenden Belastungen durch die Coronakrise beigetragen.

Erhebliche Abwärtsrisiken

„Für sich genommen wären diese Daten ein gutes Zeichen für eine Frühjahrsbelebung, doch der Konflikt in der Ukraine birgt nun erhebliche Abwärtsrisiken“, kommentierten Mark Cus Babic und Ludovico Sapio, Volkswirte bei Barclays. Tatsächlich wächst mit dem anhaltenden Krieg die Angst vor einem schweren Konjunkturdämpfer. Vergangene Woche hatte EZB-Chefvolkswirt Lane bei einem informellen Treffen der EZB-Spitze Szenarien zu den Folgen des Kriegs vorgelegt. Laut mittlerem Szenario werde das Bruttoinlandsprodukt dieses Jahr um 0,3 bis 0,4% geschmälert. Ein extremeres Modell sah sogar fast 1% vor. Zur EZB-Sitzung am Donnerstag legen die EZB-Volkswirte neue Zahlen vor.

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