Euro-Hüter sehen Inflationsanstieg als temporär an
ms Frankfurt
Die Euro-Währungshüter sehen den aktuellen starken Inflationsanstieg im Euroraum weiter primär als vorübergehendes Phänomen an. Das geht aus den am Donnerstag veröffentlichten neuen Projektionen der EZB-Volkswirte und aus den Aussagen von Zentralbankchefin Christine Lagarde nach der Sitzung des EZB-Rats hervor. Zugleich betonten die Notenbanker aber stärker als zuvor zumindest das Risiko einer auch dauerhaft höheren Inflation – vor allem als mögliche Folge der Engpässe bei vielen Rohstoffen und Vorprodukten.
Seit Jahresbeginn hat die Inflation in der Eurozone kräftig und stärker als erwartet angezogen. Im August sprang sie völlig überraschend von zuvor 2,2% auf 3,0% – der höchste Stand seit einem Jahrzehnt. Die EZB strebt mittelfristig 2,0% an. Sie hat diese Entwicklung aber bislang als temporär bezeichnet und will deshalb nichts wissen von einer starken Abkehr von der ultralockeren Geldpolitik. Die Zweifel und die Kritiker an dieser Einschätzung und diesem Kurs nehmen aber zu. Insbesondere in Deutschland erhitzt das Thema die Gemüter – auch in der Politik.
Zuletzt hatte aber auch unter den Euro-Notenbankern eine Art Kampf um die Deutungshoheit in Sachen Inflation eingesetzt. Bundesbankchef Jens Weidmann mahnte, das Risiko einer dauerhaft höheren Inflation nicht zu unterschätzen. „Ich werde jedenfalls darauf drängen, auch das Risiko einer zu hohen Inflationsrate genau im Blick zu behalten und nicht nur auf das Risiko einer zu niedrigen Inflationsrate zu schauen“, sagte er. EZB-Direktoriumsmitglied Isabel Schnabel stemmte sich dagegen gegen Inflationsängste: „So überraschend das für manchen klingen mag: Wir sorgen uns eher darum, dass die Inflationsrate auf mittlere Sicht zu niedrig ausfällt statt zu hoch.“
Die EZB-Volkswirte schraubten nun im Vergleich zu den Juni-Projektionen ihre Inflationsprognose für das laufende Jahr deutlich von 1,9% im Juni auf 2,2% herauf. Für 2022 und 2023 fiel die Korrektur allerdings etwas geringer aus – von 1,5% auf 1,7% sowie von 1,4% auf 1,5% (siehe Grafik). Vor allem aber blieben beide Werte deutlich unterhalb des neuen EZB-Inflationsziels von glatt 2%. Entsprechend sagte auch Lagarde nach der Sitzung, dass die Inflation zwar in den nächsten Monaten noch weiter ansteigen könnte. Ab 2022 werde es dann aber wieder niedrigere Raten geben.
In ihrer Risikoeinschätzung zum Inflationsausblick betonte der Rat jetzt aber erstmals explizit die Gefahr einer auch länger anziehenden Teuerung. „ Sollten die Angebotsengpässe länger andauern und sich in unerwartet hohen Lohnzuwächsen niederschlagen, könnte es zu länger anhaltendem Preisdruck kommen.“
Was das Wachstum der Euro-Wirtschaft betrifft, erhöhten die Volkswirte ihre Projektion für das laufenden Jahr deutlich von zuvor 4,6% auf 5,0%. Für 2022 senkte sie diese aber marginal von 4,7% auf 4,6%. Damit ist die EZB für 2022 im Vergleich aber immer noch sehr optimistisch. Inzwischen geht sie zudem davon aus, dass beim Bruttoinlandsprodukt (BIP) das Vorkrisenniveau bereits Ende dieses Jahres wieder erreicht wird – und damit zwei Quartale früher als zunächst gedacht.