Einkaufsmanagerindex

Euro-Wirtschaft im Rückwärtsgang

Die Euro-Wirtschaft steckt gemessen am Einkaufsmanagerindex zu Beginn des vierten Quartals deutlich in der Rezession. Während die Industrie besonders unter den hohen Energiekosten ächzt, leiden die Dienstleister unter den steigenden Lebenshaltungskosten.

Euro-Wirtschaft im Rückwärtsgang

ba Frankfurt

Die Wirtschaft im Euroraum steckt zu Beginn des vierten Quartals in der Rezession – allen voran die deutsche Wirtschaft erweist sich als Bremsklotz. Die hohen Energiepreise haben insbesondere die Industrieaktivität belastet, während die gestiegenen Lebenshaltungskosten den Dienstleistern immer stärker zu schaffen machen. Wegen der zudem steigenden Löhne bleibt der Preisdruck hoch, wie das vorläufige Ergebnis der Einkaufsmanagerumfrage zeigt. Diese Nachrichten kommen für die Europäische Zentralbank (EZB) zur Unzeit: Sie wird aber trotz der Rezessionssorgen am Donnerstag einen erneuten kräftigen Zinsschritt nach oben gehen.

Der Dienstleister und Industrie zusammenfassende Einkaufsmanagerindex (PMI) Composite fiel im Oktober um 1,0 auf 47,1 Punkte. Ökonomen hatten mit einem Stand von 47,6 Zählern gerechnet. Damit entfernt sich das vielbeachtete Frühbarometer weiter von der 50-Punkte-Marke – Werte darunter signalisieren eine rückläufige Aktivität. Mit Ausnahme der Lockdown-Monate während der Corona-Pandemie war dies der kräftigste Rückgang seit April 2013. „Angesichts des verstärkten Produktionsrückgangs und der weiter nachlassenden Nachfrage dürfte die Wirtschaftsleistung der Eurozone im vierten Quartal schrumpfen“, erklärte Chris Williamson, Chefvolkswirt bei S&P Global.

Ökonomen sehen die Euro-Wirtschaft bereits auf Talfahrt. „Es gibt kaum noch Zweifel: Die Wirtschaft im Euroraum befindet sich in der Rezession“, sagte Christoph Weil von der Commerzbank. Der anhaltende Kaufkraftverlust durch die hohe Inflation hinterlasse immer tiefere Bremsspuren beim privaten Verbrauch. Dies bekomme vor allem der Dienstleistungssektor mit voller Wucht zu spüren. Der Dienstleistungs-PMI fiel wie erwartet um 0,6 auf 48,2 Punkte. „In der Vergangenheit war bei diesem Niveau gewöhnlich ein Rückgang des realen Bruttoinlandsproduktes zu beobachten“, betonte Weil.

Am schlimmsten aber, so heißt es bei S&P Global, hat es im Oktober die Industrie erwischt. Insbesondere die energieintensiven Bereiche hätten einen deutlichen Produktionsrückgang erfahren – die stärksten Rückgänge seien bei Chemie und Kunststoffen sowie bei Grundstoffen zu verzeichnen. Für die Bereiche Technologie, industrienahe Dienstleister sowie Pharma & Biotechnologie wurde hingegen ein Wachstum vermeldet. Der Industrie-PMI sank um 1,8 auf 46,6 Punkte und damit stärker als erwartet – die Prognosen lagen hier im Schnitt bei 47,9 Zählern. Jörg Angelé, Senior Economist bei Bantleon, sticht hier insbesondere der erneute merkliche Rückgang der Auftragseingänge ins Auge. Der entsprechende Index sei nun auf einem Niveau, „wie es gewöhnlich nur in einer scharfen Rezession erreicht wird“. Niedrigere Werte habe es bisher nur im Zuge der globalen Finanzkrise 2008/2009 gegeben. Zumindest beim Lieferkettenstress ergaben sich in der monatlichen Umfrage von S&P Global leichte Entspannungs­zeichen.

Der Blick auf die Länderdaten zeigt, dass insbesondere Deutschland mit seiner starken Exportorientierung schwächelt. Der PMI Composite gab um 1,6 auf 44,1 Punkte nach – den tiefsten Wert seit Beginn der ersten Coronawelle Anfang 2020. „Angesichts beschleunigter Schrumpfungsraten sowohl bei der Industrieproduktion als auch bei der Geschäftstätigkeit im Servicesektor und rapide sinkender Neuaufträge zeigte sich die Schwäche auf breiter Front“, kommentierte Phil Smith, Experte bei S&P Global. Dass das Beschäftigungsniveau trotz des Wachstumsrückgangs und der ausgesprochen düsteren Geschäftsaussichten noch nicht gesunken sei, deute auf die Widerstandsfähigkeit des deutschen Jobmarktes hin. Die Firmen waren laut Smith nicht nur bereit, ihre Personalstärken beizubehalten, in einigen Fällen wurden sogar freie Stellen neu besetzt.

Preisdeckel hilft Frankreich

Dass Frankreichs PMI Composite mit 50,0 nach zuvor 51,2 Punkten auf Stagnation hindeutet, führt Thomas Gitzel, Chefvolkswirt der VP Bank, wesentlich auf die Energiepreisdeckelung zurück. Die französische Regierung hat den Gaspreis bereits im Oktober 2021 eingefroren. In den übrigen von der Umfrage erfassten Ländern, für die S&P Global allerdings keine Vorabschätzung veröffentlicht, ging es ebenfalls abwärts, insbesondere in den Industriesektoren. „Die Mittelmeer-Anrainerstaaten scheinen derweil immer noch von einer guten Tourismussaison zu profitieren“, vermutet Gitzel daher.

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