Euro-Wirtschaft trotzt Energiekrise
Die Euro-Wirtschaft ist zum Jahresende trotz der Energiekrise gewachsen. Das Mini-Plus gehört mit zu den Faktoren, die für eine geringer werdende Rezessionsgefahr sprechen. Weitere Argumente sind der robuste Arbeitsmarkt, die ausgebliebene Gasmangellage und die Entspannung der Lieferkettenproblematik.
Im vierten Quartal 2022 kletterte das Bruttoinlandsprodukt (BIP) der 19 Länder im gemeinsamen Währungsraum um 0,1% im Quartalsvergleich. Von Juli bis September war die Euro-Wirtschaft noch um 0,3% gewachsen, im Frühjahr lag das Plus bei 0,9%. Im Vergleich zum Schlussabschnitt 2021 legte das BIP um 1,9% zu – im Quartal zuvor lag das Plus noch bei 2,3%. Im Gesamtjahr 2022 stieg das Euro-BIP um 3,5%. Damit bestätigte das EU-Statistikamt Eurostat wie erwartet die erste Schnellmeldung.
Die Wachstumsdynamik der einzelnen Länder wies erneut eine große Bandbreite auf: Während Irland mit 3,5% an der Spitze steht, zeigten auch Zypern (1,1%) und Slowenien (0,8%) ein überdurchschnittliches Wachstum. In Litauen hingegen schrumpfte die Wirtschaft um 1,7%, in Österreich um 0,6%. Unter den Euro-Schwergewichten zeigte sich Deutschland (–0,2%) am schwächsten, auch Italien wies ein Minus aus, und zwar von 0,1%. In Spanien hingegen legte das BIP 0,2% zu, in Frankreich um 0,1%.
Die Euro-Wirtschaft insgesamt ist damit zwar schwächer gewachsen als die der USA – dort legte das BIP im dritten Quartal um 0,6% und zum Jahresschluss um 0,7% im Quartalsvergleich zu –, doch gilt die zuletzt für das Winterhalbjahr befürchtete Rezession als immer unwahrscheinlicheres Szenario. Die EU-Kommission blickt nun ebenso wie Ökonomen wieder zuversichtlicher auf die Konjunktur. In ihrer Winterprognose erwartet die Brüsseler Behörde nun ein Plus von 0,9% im Euroraum. Im Herbst war noch ein Wachstum von 0,3% prognostiziert worden.
Leicht beschleunigt hat sich das Wachstum der Erwerbstätigkeit: Im vierten Quartal legte diese im Euroraum um 0,4% zu – nach 0,3% in den drei Monaten bis September. Details zum vierten Quartal will Eurostat am 8. März veröffentlichen. Länderdaten zeigen bereits, dass der private Konsum und die Investitionen schwach ausgefallen sein dürften, während die Exporte wegen der geringeren Importe gestützt haben dürften.
Einer Allianz-Studie zufolge zeigen sich bereits erste Spuren der Zinswende, die die Europäische Zentralbank (EZB) vergangenen Sommer eingeleitet hat. So beginne der öffentliche Sektor, der sich überwiegend an den Märkten verschuldet, bereits den Druck zu spüren: Die Nettozinszahlungen stiegen 2022 um 19,8% auf 207 Mrd. Euro und damit den höchsten Stand seit 2017. Von 2008 bis 2022 sei der Staatssektor in der Eurozone jedoch einer der Gewinner der Negativzinspolitik gewesen. Beim anderen großen Gewinner – dem Unternehmenssektor – liegen die Nettozinszahlungen wieder auf dem Niveau vor der Corona-Pandemie. Bei den Privathaushalten, die ebenso wie die Finanzunternehmen zu den Verlierern zählen, blieb die Situation der Allianz-Analyse zufolge 2022 unverändert. Bei den Finanzunternehmen, vor allem den Banken sei die Trendwende bereits eingetreten, die Nettozinserträge leicht gestiegen. Das überraschendste Ergebnis der Aufsummierung der Sektoren nach Ländern ist für die Allianz-Ökonomen, dass Deutschland von der Negativzins-Ära in Höhe von 6,6% des BIP profitiert hätte.