Einkaufsmanagerindex

Euro-Wirtschaft zieht Bremshebel

Die Euro-Wirtschaft ist im September wegen Inflation und Energiekrise zum dritten Mal in Folge geschrumpft. Vor allem die Industrie hat schwer zu kämpfen und zieht die Dienstleister in Mitleidenschaft.

Euro-Wirtschaft zieht Bremshebel

ba Frankfurt

Das Zusammenspiel von rekordhoher Inflation, rasant steigenden Energiepreisen und einer schwächelnden globalen Nachfrage hat der Unternehmensstimmung im Euroraum im September den dritten Dämpfer in Folge beschert. Dieser ist zudem – mit Ausnahme der Monate während des Lockdowns – so kräftig ausgefallen wie zuletzt im Jahr 2013, teilte das Analysehaus S&P Global am Freitag mit. Überdies würden die in der monatlichen Umfrage unter 5000 Unternehmen erhobenen Frühindikatoren für Auftragseingang, Auftragsbestand und Geschäftsaussichten andeuten, dass sich die Talfahrt in den kommenden Monaten weiter beschleunigen werde. Volkswirte sehen die Euro-Wirtschaft bereits in einer Rezession stecken, die wohl in Deutschland am tiefsten ausfallen wird.

Der Dienstleister und Industrie zusammenfassende Einkaufsmanagerindex (PMI) Composite fiel vorläufigen Daten zufolge im September um 0,7 auf 48,2 Punkte. Damit liegt das Stimmungsbarometer deutlich im Schrumpfungsbereich, der von Werten unterhalb der Wachstumsschwelle von 50 Zählern signalisiert wird. „Angesichts der sich verschlechternden Geschäftslage und des zunehmenden Preisdrucks infolge steigender Energiekosten ist mit einer Rezession in der Eurozone zu rechnen“, betonte Chris Williamson, Chefvolkswirt bei S&P Global. Die Wirtschaftsleistung werde im dritten Quartal um 0,1% sinken, wobei sich der Rückgang in den drei Monaten bis September beschleunigt habe. Im zweiten Quartal hatte die Euro-Wirtschaft noch um 0,8% zugelegt.

Nur Frankreich wächst

Das Umfrageergebnis zeigt für alle Länder mit Ausnahme Frankreichs einen Abschwung. „Deutschland hat es am schlimmsten erwischt, denn hier ging es mit der Wirtschaft – abgesehen von den Pandemie-Monaten – so rasant bergab wie seit der globalen Finanzkrise nicht mehr“, sagte Williamson. Der PMI Composite für die deutsche Privatwirtschaft ist um 1 auf 45,9 Punkte gefallen. Dies ist der niedrigste Wert seit Mai 2020. Hauptgrund, so kommentierte Phil Smith von S&P Global, sei die Entwicklung bei den Dienstleistern, „wo sich die Nachfrage spürbar abschwächte, da die Ausgabenbereitschaft der Kunden wegen knapper werdender Budgets und immer unsichererer Aussichten deutlich zurückging“, sagte Smith. Die Produktion in der Industrie hingegen sank wegen nachlassender Materialengpässe nicht mehr ganz stark wie im August.

In Frankreich hingegen verhalf der beschleunigte Aufschwung der Dienstleister dem PMI Composite zu einem Plus von 0,8 auf 51,2 Punkte. Dies dürfe aber „nicht von der klaren Botschaft der Umfrage als Ganzes ablenken, dass die französische Wirtschaft zu kämpfen hat“, mahnte Joe Hayes, Ökonom bei S&P Global.

Im Euroraum insgesamt war vor allem die Lage der Industrie kritisch, sagte Commerzbank-Ökonom Christoph Weil. Die massiv gestiegenen Strom- und Gaspreise würden die Produktion mancher Güter unrentabel machen, sodass diese von den Unternehmen trotz ausreichender Aufträge heruntergefahren werde. „Gleichzeitig lässt die Unsicherheit über die künftige Gasversorgung die Unternehmen vorsichtiger werden, was für weniger Investitionen spricht“, sagte Weil. „Vermutlich wird den europäischen Regierungen nichts anderes übrig bleiben, als die Gas- und Strompreise zu deckeln, um Privat- und Firmeninsolvenzen zu vermeiden“, erwartet Thomas Gitzel, Chefökonom der VP Bank. Der in Frankreich geltende Energiepreisdeckel sowie der jüngst merklich erhöhte Tankrabatt macht für Bantleon-Ökonom Jörg Angelé auch den Unterschied aus. In Deutschland sind Hilfen wie Tankrabatt und 9 Euro-Ticket ausgelaufen.

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