Euroraum legt Vorwärtsgang ein
ba Frankfurt
Die Euro-Wirtschaft hat zum Jahresstart mit einem Mini-Wachstum überrascht. Erstmals seit einem halben Jahr signalisiert der Industrie und Dienstleister zusammenfassende Einkaufsmanagerindex (PMI) Composite statt einem Schrumpfkurs eine wirtschaftliche Expansion: Vorläufigen Daten von S&P Global zufolge stieg das viel beachtete Frühbarometer im Januar um 0,9 auf 50,2 Punkte. Nach diesem dritten Anstieg in Folge liegt er nun leicht über der neutralen Marke von 50 Punkten. Ökonomen hatten hingegen mit einem nahezu unveränderten Wert gerechnet.
Dank geringerer Auftragsverluste würden die Unternehmen wieder deutlich optimistischer auf die kommenden zwölf Monate blicken und die abflauenden Lieferengpässe sorgten für einen verringerten Preisdruck. Die Europäische Zentralbank (EZB) dürfte die am Dienstag veröffentlichten Daten als weiteres Indiz werten, dass die Wirtschaft allenfalls in eine milde Rezession verfällt – und ihren Zinserhöhungskurs fortsetzen. Ökonomen erwarten für die Sitzung kommende Woche einen weiteren Schritt von 50 Basispunkten.
„Dass sich die Wirtschaft der Eurozone zu Beginn des Jahres weiter stabilisiert hat, deutet darauf hin, dass die Region einer Rezession entgehen könnte“, kommentierte Chris Williamson, Chefvolkswirt bei S&P Global. Der Tiefpunkt dürfte der Datenreihe zufolge sogar bereits im Oktober gewesen sein. Seitdem sei die Gefahr einer Energiekrise gesunken und die Lieferkettenprobleme hätten sich entspannt. Zudem habe die jüngste Öffnung der chinesischen Wirtschaft die Aussichten für einen globalen Konjunkturaufschwung und dementsprechend den Optimismus der Unternehmen „enorm beflügelt“. Die Region, so mahnte Williamson allerdings auch, „ist jedoch noch lange nicht über den Berg“.
Eine Einschätzung, die Bankökonomen teilen: Der Blick auf die weitere wirtschaftliche Entwicklung verursacht dem Chefökonomen der VP Bank, Thomas Gitzel, zwar keine Bauchschmerzen mehr. Eine Rezession ist aber „trotz verbesserter Konjunkturaussichten noch nicht vom Tisch“. Die Auswirkungen der Zinsanhebungen seien bislang weder in den USA noch in Europa in voller Tragweite spürbar. Zudem hielten sich die Unternehmen zuletzt mit Aufträgen zurück und der mittelfristige Ausblick sei nicht rosig, „auch wenn sich die Unternehmen derzeit noch auf dem hohen Auftragspolster ausruhen können“, betonte Gitzel.
Die Unternehmen können wegen der nachlassenden Lieferprobleme die liegengebliebenen Aufträge nun abarbeiten, wie sich auch in der entsprechenden Unterkomponente des PMI für das verarbeitende Gewerbe zeigt. Der Industrie-PMI stieg um 1,0 auf 48,8 Punkte. Etwas schwächer legte der Index für die Dienstleister zu, nämlich um 0,9 auf 50,7 Zähler. Damit liegt „das verlässlichste Konjunkturbarometer für den Euroraum wieder in einem Bereich, bei dem die Wirtschaft in der Vergangenheit in der Regel nicht geschrumpft ist“, schrieb Commerzbank-Ökonom Christoph Weil.
Die Entwicklung in den einzelnen Ländern verlief uneinheitlich. In Deutschland schrumpfte die Wirtschaft im Januar laut S&P Global „nur noch geringfügig“. Der Composite PMI legte dank des Mini-Wachstums im Servicesektor um 0,7 auf nunmehr 49,7 Punkte zu und erreichte damit den höchsten Wert seit Juli 2022. Ein „relativ stabiler Start ins neue Jahr“, kommentiert Phil Smith, Economics Associate Director bei S&P Global. Der Industrieindex fiel dabei um 0,1 auf 47,0 Punkte, das Barometer der Dienstleister stieg um 1,2 auf 50,4 Punkte.
In Frankreich hingegen kletterte der Industrie-PMI erstmals seit Oktober wieder über die Wachstumsschwelle – um 1,6 auf 50,8 Zähler. Der Dienstleisterindex hingegen fiel um 0,3 auf 49,2 Punkte, wodurch der PMI Composite um 0,1 auf 49,0 Punkte nachgab. Die übrigen von der Umfrage erfassten Länder seien nach vier Monaten wieder auf dem Wachstumskurs zurück, wobei die Dienstleister stark zulegten und sich die Industrie stabilisierte.