Experten prognostizieren auf absehbare Zeit hohe Inflation
Experten prognostizieren auf absehbare Zeit hohe Inflation
Fachleute schrauben Erwartungen deutlich zurück, aber Teuerung weiter stark – Lane: Bei neuen Schocks bereit zu handeln
ms Frankfurt
Wirtschaftsexperten aus aller Welt erwarten für die kommenden Jahre weniger Inflation als noch vor einigen Monaten. Das geht aus dem am Donnerstag veröffentlichten, neuen Economic Experts Survey hervor, einer vierteljährlichen Umfrage des Ifo-Instituts und des Instituts für Schweizer Wirtschaftspolitik (IWP). Gleichwohl sehen die Experten die weltweite Inflation bis ins Jahr 2026 hinein deutlich erhöht. Erschwerend kommt zumindest kurzfristig der neuerliche Nahost-Konflikt mit seinen möglichen Folgen für die Ölpreise und die Inflation hinzu. Das treibt nicht zuletzt auch die Europäische Zentralbank (EZB) zunehmend um.
Wichtige Zinssitzung voraus
Nachdem die Inflation weltweit in den Jahren 2021 und 2022 so stark angestiegen war wie seit Jahrzehnten nicht, ist sie zuletzt deutlich zurückgegangen. Sie verharrt aber vielerorts oberhalb des verbreiteten 2-Prozent-Inflationsziels. Die Notenbanken stehen deshalb vor einer Gratwanderung: Einerseits wollen sie die Inflation weiter drücken und vor allem einen Anstieg der Inflationserwartungen verhindern, mit der sich die Teuerung weiter verfestigen könnte. Andererseits schwächelt in vielen Regionen die Konjunktur. In der kommenden Woche tagt die Europäische Zentralbank (EZB), danach folgt die US-Notenbank Fed.
Laut der neuen Umfrage von Ifo und IWP erwarten die Experten, dass die Inflationsrate in diesem Jahr weltweit 6,2% erreichen wird, im kommenden Jahr dann 5,2% und 2026 noch 4,5%. Im vergangenen Quartal hatten die Fachleute aber für 2023 noch 7,0% und für 2026 4,9% prognostiziert. „Die Inflationserwartungen sind im Vergleich zum Vorquartal deutlich gesunken“, sagt Ifo-Forscher Niklas Potrafke. Sie sind aber immer noch hoch.
Warnung des IWF
Erst vergangene Woche hatte der Internationale Währungsfonds (IWF) in seinem neuen Weltwirtschaftsausblick seine Prognosen für die Inflation erhöht und die Zentralbanken deshalb zu einem weiter entschlossenen Kampf gegen die Teuerung aufgefordert (vgl. BZ vom 11. Oktober). Der Fokus richtet sich dabei aber zunehmend darauf, die Leitzinsen nicht unbedingt weiter zu erhöhen, sondern das aktuell erhöhte Niveau für längere Zeit beizubehalten. Sowohl bei der EZB als auch bei der Fed wird im November eine Zinserhöhungspause erwartet.
Die Unsicherheit über den Inflationsausblick ist aber groß und sie ist zuletzt durch die Eskalation in Nahost noch einmal gestiegen. EZB-Chefökonom Philip Lane sagte nun, dass die EZB bereit sein müsse, zusätzliche Maßnahmen zu ergreifen, wenn es zu weiteren Schocks bei den Verbraucherpreisen komme. “Wenn wir Inflationsschocks haben, die ausreichend groß oder anhaltend sind, müssen wir bereit sein, mehr zu tun”, sagte er der niederländischen Zeitung "Het Financieele Dagblad". Zugleich zeigte er sich aber noch zuversichtlich. “Wir glauben, dass die Inflation bis 2025 auf 2% zurückgehen wird.”
Große Unsicherheit
Lane sagte zudem, dass es mehr Informationen über die Lohnabschlüsse für 2024 benötige, bevor ein Sieg über den bisher schlimmsten Inflationsschub in der Euro-Ära verkündet werden könne. “Wir werden bis zum Frühjahr nächsten Jahres warten müssen, bis viele Länder diese Informationen veröffentlichen”, so Lane. “Wir werden die Zinssätze so lange wie nötig hoch halten. Gelockert werden könne die Geldpolitik erst, wenn die Währungshüter “hinreichend zuversichtlich” seien, die 2% zu erreichen – “aber davon sind wir noch ein ganzes Stück entfernt”, betonte der Notenbanker.