Energiekrise

EZB-Chefvolkswirt für höhere Steuern

Angesichts der Energiekrise und der hohen Inflation tobt eine hochpolitische Debatte über höhere Steuer für Reiche und Unternehmen, die von der Krise profitieren. Jetzt mischt sich auch EZB-Chefvolkswirt Lane ein. Das ist durchaus brisant.

EZB-Chefvolkswirt für höhere Steuern

ms Frankfurt

EZB-Chefvolkswirt Philip Lane hält Steuererhöhungen für Reiche und eine Übergewinnsteuer für Unternehmen für einen guten Weg, um mit dem Geld die von der Energiekrise und der hohen Inflation besonders betroffenen und einkommensschwächeren Haushalte zu unterstützen. Entsprechend äußerte sich Lane am Dienstag in einem Interview mit der österreichischen Tageszeitung „Der Standard“. Er begründete das auch damit, dass dies die Inflation weniger anheize als höhere, schuldenfinanzierte Staatsausgaben.

Die Aussagen bergen durchaus einige Brisanz, sind Steuererhöhungen und eine Übergewinnsteuer doch hochpolitische und teils heftig umstrittene Themen. Das gilt nicht zuletzt in Deutschland. Die Europäische Zentralbank (EZB) läuft so durchaus Gefahr, noch stärker in den politischen Diskurs gezogen zu werden. Wegen der eher zögerlichen Reaktion auf die hohe Inflation steht die EZB ohnehin in der Kritik.

Lane betonte, dass der aktuelle Energieschock „gewaltig“ sei und den ärmsten Menschen in der Gesellschaft am meisten zusetze. „Unter dem Gesichtspunkt der Fairness, aber auch aus makroökonomischer Sicht sollten die Regierungen das Einkommen und den Verbrauch derjenigen Haushalte und Unternehmen unterstützen, die am meisten darunter leiden“, so Lane. „Es stellt sich die große Frage, ob nicht ein Teil dieser Unterstützung durch Steuererhöhungen für die Besser­gestellten finanziert werden sollte. Das können höhere Steuern für Besserverdienende sein oder für Industrien und Unternehmen, die trotz des Energieschocks hochprofitabel sind.“

Wenn die Regierungen Bedürftige unterstützten und dies durch höhere Steuern finanzierten, „ist das weniger inflationstreibend, als wenn die Defizite ausgeweitet werden“, so Lane. „Kurzfristig werden etwas höhere Defizite nicht vermeidbar sein, aber es braucht dafür eine klare zeitliche Begrenzung.“ Das sei auch wichtig für die Geldpolitik. Dieses Jahr sei ein Sonderfall, da sich die Ausgaben nach der Pandemie wieder normalisierten. „Daher sehen wir heuer keine großen neuen Defizite“, so Lane. „Es geht eher darum, im nächsten Jahr sicherzustellen, dass sich die Defizite weiter verringern und nicht auf dem aktuellen Niveau verharren. Damit ist nicht ein Übergang hin zur Austeritätspolitik gemeint, sondern lediglich eine Abkehr von der Politik der fiskalischen Ausweitung.“

Angst vor Lohn-Preis-Spirale

Mit Blick auf die Inflation warnte Lane vor zu hohen Lohnabschlüssen. „Die hohe Inflation wird ihren Niederschlag in höheren Löhnen finden müssen. Aber es braucht ein Gleichgewicht“, sagte Lane. „Die Löhne werden stärker steigen als in den vergangenen Jahren. Aber der Versuch, die Arbeitnehmer durch höhere Einkommen voll und ganz vor der Inflation zu bewahren, würde die Kosten der Unternehmen deutlich in die Höhe treiben und zu Zweitrundeneffekten führen.“ Eine Lohn-Preis-Spirale würde dann „eine viel größere und härtere geldpolitische Reaktion erfordern“, so Lane.

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