Geldpolitik

EZB in Erklärungsnot

Wenige Tage nach der nicht unumstrittenen Zinssenkung der EZB veröffentlicht Notenbank-Präsidentin Christine Lagarde eine Stellungnahme, in der sie den Schritt verteidigt. Gleichzeitig betont sie, dass die Geldpolitik noch länger restriktiv bleiben müsse.

EZB in Erklärungsnot

EZB wegen Zinssenkung
in Erklärungsnot

Lagarde veröffentlicht Stellungnahme

mpi Frankfurt

Nach der kontrovers diskutierten und innerhalb der Europäischen Zentralbank (EZB) nicht unumstrittenen Zinssenkung am Donnerstag hat EZB-Präsidentin Christine Lagarde den Zinsschritt am Wochenende öffentlich verteidigt. „Wir sehen Fortschritte an vielen Fronten“, schreibt Lagarde in einer Stellungnahme, die auf der Webseite der EZB und in mehreren europäischen Medien veröffentlicht wurde. Im Vergleich zu September 2023, als die EZB die letzte Zinserhöhung beschloss, habe sich die Inflation auf 2,6% halbiert. Die Inflation ist „derzeit auf dem besten Weg, in der zweiten Hälfte des nächsten Jahres 2% zu erreichen“. Daher habe sich die Notenbank dazu entschieden, den restriktiven Grad der Geldpolitik zu verringern.

Wohl keine Zinssenkung im Juli

Gleichzeitig betont Lagarde in ihrer Stellungnahme die hartnäckige Teuerung. „Es wird jedoch noch eine ganze Weile dauern, bis die Inflation komplett aus der Wirtschaft verbannt ist. Bis dahin wird nicht alles glattlaufen. Wachsamkeit, Einsatz und Durchhaltevermögen werden auf diesem Weg gefragt sein“, schreibt die EZB-Präsidentin. Die Französin macht keine konkreten Angaben zum künftigen Zinstempo. Allerdings stellt sie heraus, dass die Notenbank noch eine Weile mit dem Fuß auf der geldpolitischen Bremse stehen müsse, „wenn auch nicht mehr ganz so fest wie bisher“.

Insgesamt deutet die Stellungnahme an, dass eine zweite Zinssenkung im Juli unwahrscheinlich ist. Entsprechend hatten sich zuletzt auch einige EZB-Ratsmitglieder geäußert. So mahnte etwa Bundesbankpräsident Joachim Nagel am Montag zur Vorsicht mit weiteren Zinssenkungen. „Bildlich gesprochen: Ich sehe uns nicht auf einem Berggipfel, von dem es zwangsläufig nach unten geht.“ Die Unsicherheit bei der Entwicklung der Inflation und des Wirtschaftswachstums sei weiterhin hoch.

September im Fokus

Auch Nagels Ratskollege Peter Kažimír forderte Vorsicht beim Tempo der geldpolitischen Lockerungen. Eine Zinssenkung im Juli hält der slowakische Notenbankpräsident für unnötig. „Es gibt keinen Grund zur Eile“, sagte er. Im Herbst werde die EZB viele neue Wirtschaftsdaten haben. „Der September wird ein entscheidender Monat sein.“

Wie Reuters berichtet hatte, waren vier Ratsmitglieder nicht glücklich mit der Zinssenkung, für die sie am Donnerstag votiert hatten. Sie hätten nur für eine Lockerung gestimmt, da die EZB diese vorab öffentlich stark signalisiert hatte. Die jüngsten Wirtschaftsdaten hätten hingegen nicht für eine Zinssenkung gesprochen. Dazu kommt noch, dass mit dem österreichischen Notenbankchef Robert Holzmann ein EZB-Ratsmitglied gegen die Zinsänderung votiert hatte. Die Stellungnahme Lagardes mit Betonung der hartnäckigen Inflation könnte nun ein Zugeständnis an diese unzufriedenen Ratsmitglieder sein. Die Zeichen stehen nicht auf eine baldige zweite Zinssenkung.


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