Geldpolitik

EZB lässt Tür für Zinssenkung im April offen

Äußerungen diverser EZB-Ratsmitglieder vom Freitag deuten darauf hin, dass die Notenbank bis spätestens Juni die Zinsen senken wird. Wie es dann weitergeht, darauf wollen sich die Notenbanker nicht festlegen.

EZB lässt Tür für Zinssenkung im April offen

EZB lässt Tür für Zinssenkung im April offen

Notenbanker halten Lockerung vor der Sommerpause für sehr wahrscheinlich – Juni im Fokus – Weitere Geldpolitik nach erstem Zinsschritt unklar

Äußerungen diverser EZB-Ratsmitglieder vom Freitag deuten darauf hin, dass die Europäische Zentralbank (EZB) bis spätestens Juni die Zinsen senken wird. Wie es dann weitergeht, darauf wollen sich die Notenbanker nicht festlegen. Auf die erste Zinssenkung könnten weitere folgen oder auch eine längere Zinspause.

mpi Frankfurt

Nach dem Zinsentscheid am Donnerstag haben sich etliche EZB-Ratsmitglieder zu Wort gemeldet und über den möglichen Zeitpunkt des Beginns der Zinswende gesprochen. Laut Frankreichs Notenbankpräsident François Villeroy de Galhau gibt es einen breiten Konsens im Rat der Europäischen Zentralbank (EZB), dass es eine erste Zinssenkung noch im Frühling geben dürfte. „Der Frühling geht von April bis zum 21. Juni“, wies er dabei am Freitag im Gespräch mit dem französischen Radiosender BFM Business hin.

Auch Vertreter einer eher restriktiven Geldpolitik („Falken“) betonten die Fortschritte bei der Bekämpfung der hohen Inflation und stellten eine baldige Lockerung der Geldpolitik in Aussicht. „Die Wahrscheinlichkeit steigt, dass es noch vor der Sommerpause zu einer Zinssenkung kommen könnte“, sagte Bundesbank Präsident Joachim Nagel im Podcast Table Today. Man werde datenabhängig entscheiden, die Aussichten hätten sich zuletzt aufgehellt.

Die EZB hatte am Donnerstag ihre Prognose für die durchschnittliche Inflationsrate im Jahr 2024 deutlich von 2,7 auf 2,3% gesenkt. Hauptgrund dafür waren niedrigere Energiepreise. Dementsprechend fiel die Revision bei der Kernrate kleiner aus. Diese gilt als guter Indikator für den zugrunde liegenden Preisdruck. Die Kerninflation, bei der die schwankungsanfälligen Energie- und Lebensmittelpreise ausgeklammert werden, wird laut der neuen EZB-Prognose im Schnitt bei 2,6% im laufenden Jahr liegen. Das sind nur 0,1 Prozentpunkte weniger als bei der Projektion im Dezember.

Niedrigere Erzeugerpreise

Dennoch würde sich damit der disinflationäre Trend in der Eurozone fortsetzen. Im Februar lag die Kernrate nach einer ersten Schätzung des Statistikamts Eurostat bei 3,1%. Die Inflationsrate dürfte laut den Statistikern bei 2,6% gelegen haben. Einen intakten Abwärtstrend bei der Inflation signalisierten am Freitag auch neue Daten zu den Erzeugerpreisen in Deutschland, der größten Volkswirtschaft in der Eurozone. Diese sanken im Januar im Jahresvergleich um 4,4%, wie das Statistische Bundesamt (Destatis) miteilte. Die Erzeugerpreise geben einen Hinweis auf die künftige Entwicklung der Verbraucherpreise. Unternehmen geben in der Regel geänderte Produktionskosten zumindest teilweise an die Kunden weiter.

Die mutmaßlich in den kommenden Monaten weiter nachlassende Inflation in der Eurozone gibt der EZB Spielraum für eine Zinssenkung. „Es gibt Anlass, über eine weniger restriktive Geldpolitik nachzudenken“, sagte der litauische Notenbankpräsident Gediminas Simkus. „Der Juni ist der mögliche Monat für eine Zinssenkung“, meint er. „Ich gehe aufgeschlossen zu jedem Treffen. Ich kann eine Kürzung im April nicht ausschließen, aber die Wahrscheinlichkeit ist gering.“ Damit scheint er derzeit die Mehrheitsmeinung im EZB-Rat abzubilden.

Noch vor der Fed?

Sollte die EZB tatsächlich im Juni eine erste Zinssenkung beschließen, könnte sie eventuell noch vor der Fed die Zinswende einleiten. Eine Zinssenkung in den USA in rund zwei Wochen gilt als quasi ausgeschlossen. Ob die Fed im Mai lockert, ist ungewiss. Bereits am Donnerstag hatte EZB-Präsidentin Christine Lagarde bekräftigt, dass die EZB bei ihrer Geldpolitik unabhängig von der US-Notenbank agiere. Wenn die Daten dies erforderten, sei sie bereit, vor der Fed die Zinsen zu senken. Historisch war es meist die Fed, die bei Zinswenden den ersten Schritt machte.

Am Freitag betonte auch der finnische Notenbankchef Olli Rehn, dass dies in diesem Jahr anders laufen könnte. „In der Diskussion gab es auch Stimmen, dass die EZB die Zinsen nicht vor der US-Notenbank Fed senken könne. Gerüchte darüber sind stark übertrieben: Die EZB ist nicht der ‚13. Bundesdistrikt‘ der Fed.“ Zudem sagte er, dass die EZB nun immer zuversichtlicher sei, dass die Inflation bis 2025 auf 2,0% fällt.

Ob nach der ersten Zinssenkung der EZB direkt weitere folgen werden oder die Leitzinsen für eine Weile konstant bleiben, darauf will sich die Notenbank nicht festlegen. „Der erste Schnitt wird wichtig sein, denn er wird zeigen, dass wir den Weg geändert haben“, sagte der lettische Notenbankpräsident Martins Kazaks. „Aber meiner Meinung nach bedeutet das nicht, dass wir gezwungen oder verpflichtet sind, auf jedem Meeting dann die Zinsen zu senken“, sagte er. „Die Option ist immer da“, fügte er hinzu. „Wir stellen jedoch nichts auf Autopilot.“

Am Donnerstag hatte bereits Lagarde betont, dass auch nach der ersten Zinssenkung, wann immer sie erfolge, die Notenbank datenabhängig agieren werde. Es gebe keinen festgelegten Plan, wie die Geldpolitik dann auszusehen habe.

Interview mit Ökonom Volker Wieland zur aktuellen Geldpolitik der EZB

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