Geldpolitik

EZB steuert auf Zinssenkung im September zu

EZB-Präsidentin Christine Lagarde betont auf der Pressekonferenz nach dem Zinsentscheid, dass völlig offen sei, ob die Notenbank im September die Zinsen senkt. Viele Volkswirte glauben dagegen, dass die Notenbank recht eindeutig auf eine Lockerung zusteuert – und sehen sich durch Lagardes Auftritt bestätigt.

EZB steuert auf Zinssenkung im September zu

EZB steuert auf September-Zinssenkung zu

Notenbank hält Leitzinsen konstant – Ökonomen rechnen verstärkt mit einer Lockerung nach der Sommerpause

EZB-Präsidentin Christine Lagarde betont auf der Pressekonferenz nach dem Zinsentscheid, dass völlig offen sei, ob die Notenbank im September die Zinsen senkt. Viele Volkswirte glauben dagegen, dass die Notenbank recht eindeutig auf eine Lockerung zusteuert – und sehen sich durch Lagardes Auftritt bestätigt.

mpi Frankfurt

Nach der internen Kritik aus Teilen des EZB-Rats an der öffentlichen Quasi-Vorabfestlegung auf eine Zinssenkung im Juni vermeidet Christine Lagarde konkrete Hinweise auf den geldpolitischen Kurs im September. „Der EZB-Rat hat stark bekräftigt, dass er sich nicht auf einen bestimmten Zinspfad festlegt“, sagte die EZB-Präsidentin im Anschluss an den Zinsentscheid am Donnerstag, bei dem die Notenbank wie erwartet eine Zinspause verkündet hat. Und sie legte nach: „Was wir im September machen, ist völlig offen.“

Zweifel an der Datenabhängigkeit

Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer hat Zweifel an dieser Darstellung. „Solche Beteuerungen haben nicht viel zu bedeuten“, sagte Krämer. „Man sollte nicht allzu viel auf die angebliche Datenabhängigkeit der EZB-Zinsentscheidungen geben“, führt er aus. Er verweist darauf, dass die EZB im Juni trotz der angehobenen Inflationsprognose die Leitzinsen um 25 Basispunkte gesenkt hat. Die Äußerungen Lagardes seien vielmehr ein Zugeständnis „an das kleine Lager der Falken, die auf Datenabhängigkeit pochen und die nicht gegen weitere Zinssenkungen stimmen sollen“. Er geht fest davon aus, dass die EZB im September eine Zinssenkung beschließen wird. „Solange es die Inflationsdaten halbwegs hergeben, dürfte ein von den Tauben dominierter EZB-Rat die Zinsen auf der nächsten Sitzung senken“, meint er.

Eine Zinssenkung im September und womöglich eine weitere im Dezember sind auch die Erwartungen der meisten Finanzmarktteilnehmer. Viele Volkswirte sehen den Auftritt Lagardes als eine Bekräftigung dieser Prognose. So betonte die EZB-Präsidentin, dass die Notenbank weiterhin damit rechnet, dass sich das Lohnwachstum verlangsamt. Dies ist eine wichtige Voraussetzung dafür, dass der zugrunde liegende Preisdruck, gemessen unter anderem an der Kerninflation, spürbar nachlässt. Insgesamt, so Lagarde, stünden die jüngsten Daten im Einklang mit dem mittelfristigen Inflationsausblick.

Schwächelnde Konjunktur

Mit Blick auf die Konjunktur sagte sie hingegen, dass die Risiken für den Ausblick des Wirtschaftswachstums nach unten gerichtet sind. Zudem gebe es Hinweise, dass die Euro-Wirtschaft im zweiten Quartal schwächer gewachsen ist als noch zu Jahresbeginn. Eine schwächere Konjunktur dämpft die Nachfrage nach Waren und Dienstleistungen und senkt zudem den Spielraum von Unternehmen für Preiserhöhungen. Beides reduziert den Preisdruck, was der EZB wiederum mehr Spielraum für eine Lockerung der Geldpolitik eröffnen würde.

„Die Tonlage von Notenbankpräsidentin Christine Lagarde war eher taubenhaft“, interpretiert Daniel Hartmann, Chefökonom des Vermögensverwalters Bantleon, die Aussagen der Französin. „Und das, obwohl die Inflationsergebnisse der Eurozone zuletzt einige negative Überraschungen bereithielten.“ Die selbst gesetzten Hürden für eine Zinssenkung im September seien aber nicht hoch, meint Hartmann. Solange sich die Inflation gemäß der Juni-Projektion entwickle, dürfte die EZB eine Zinssenkung beschließen. „Für die Kerninflationsrate hat die Notenbank für das dritte Quartal mit 2,7% einen recht hohen Wert angesetzt, den wir für völlig plausibel halten.“

Ein wenig in die Karten schauen ließ sich Lagarde am Donnerstag auf Nachfrage eines Journalisten bezüglich der anstehenden Strategieüberprüfung der Notenbank. Das Inflationsziel werde nicht angepasst, auch ein Toleranzband sei keine Option – zumindest nicht bei der jetzigen Überprüfung, deren Ergebnisse 2025 vorliegen sollen.


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