Geldpolitik

EZB-Zinssenkung im Oktober bleibt im Bereich des Möglichen

Nach der erwarteten Zinssenkung der EZB am Donnerstag stellt sich die Frage, wann die Notenbank das nächste Mal die Geldpolitik lockert. Ökonomen halten den Oktober weiterhin für möglich, gehen mehrheitlich jedoch von einem anderen Szenario aus.

EZB-Zinssenkung im Oktober bleibt im Bereich des Möglichen

Oktober-Zinssenkung bleibt im Bereich des Möglichen

Nächste Lockerung der EZB im Dezember jedoch wahrscheinlicher – Fokus auf der Inflation bei Dienstleistungen – Lagarde lobt Draghi-Bericht

Die EZB senkt den für die Geldpolitik relevanten Einlagensatz um 25 Basispunkte. Wegen einer bereits im März angekündigten Änderung bei den Abständen zwischen den Leitzinsen fallen der Haupt- und der Spitzenrefinanzierungssatz sogar um 60 Basispunkte. Offen bleibt, wann die nächste Zinssenkung ansteht.

mpi Frankfurt

Nach dem Zinsentscheid der EZB am Donnerstag geht das Rätselraten um den weiteren geldpolitischen Kurs der Notenbank weiter. EZB-Präsidentin Christine Lagarde verzichtete auf der Pressekonferenz darauf, eindeutige Signale zu senden. Stattdessen betonte sie abermals die Datenabhängigkeit der Notenbank. Weder bezüglich des Tempos der Zinswende noch beim Umfang der anstehenden Lockerungen lege man sich vorab fest.

Die Entscheidung, den für die Geldpolitik relevanten Einlagensatz um 25 Basispunkte zu senken, fiel nach Angaben von Lagarde einstimmig im EZB-Rat. Bereits im März hatte die Notenbank zudem entschieden, den Abstand zwischen Einlagensatz und Hauptrefinanzierungssatz von 50 auf 15 Basispunkte zu reduzieren. Diese Änderung wird ebenfalls wie die Zinssenkung vom Donnerstag am 18. September wirksam. Diese Maßnahme soll sicherstellen, dass auch mit dem Abschmelzen der Überschussliquidität im Euroraum genügend Liquidität vorhanden ist. Der für die Restaktivität entschiedene Leitzins bleibt der Einlagensatz.

Geringe Nachfrage

Die Mehrheit der Ökonomen geht davon aus, dass die Notenbank die Leitzinsen das nächste Mal im Dezember reduzieren wird. Andere Volkswirte halten es jedoch für gut möglich, dass die EZB angesichts der schwächelnden Euro-Konjunktur und der Fortschritte bei der Disinflation bereits im Oktober die Geldpolitik erneut lockert.

„Zuletzt wurde immer offensichtlicher, dass die global sehr zurückhaltende gesamtwirtschaftliche Nachfrage, vor allem im Sektor der Industrie, den Preisdruck bei Gütern immer stärker dämpft. Auch bei Dienstleistern in Europa ist abnehmende Zuversicht erkennbar“, sagt Carsten Mumm, Chefvolkswirt des Bankhauses Donner & Reuschel. „In diesem Umfeld wirken die noch sehr hohen Leitzinsen besonders restriktiv. Es ist daher gut möglich, dass die EZB schon bei der nächsten Ratssitzung im Oktober eine weitere Leitzinssenkung beschließen wird.“

„Das schwächere Wachstum dürfte der Treiber für aggressivere Zinssenkungen im nächsten Jahr sein“, sagt Carsten Brzeski, Chefvolkswirt für Deutschland und Österreich der ING. „Mit Blick auf die Zukunft gehen wir davon aus, dass die EZB letztendlich das Tempo weiterer Zinssenkungen erhöhen wird. Nicht dieses, aber nächstes Jahr.“

Mahnung zur Vorsicht

„Es ist zu beachten, dass die Inflation im Dienstleistungssektor noch über 4% liegt. Insofern bleiben Inflationsrisiken“, betont dagegen Ifo-Präsident Clemens Fuest, der angesichts der schwachen Konjunkturaussichten und dem Rückgang der Inflation in den vergangenen Monaten die beschlossene Zinssenkung der EZB dennoch begrüßt. Er mahnt bei der weiteren Geldpolitik aber zur Vorsicht. „Weitere Zinssenkungen erscheinen nur dann angemessen, wenn der Rückgang der Inflation sich fortsetzt.“

Hierbei wird insbesondere die Entwicklung der Teuerung bei Dienstleistungen eine zentrale Rolle spielen. Dies betonte auch Lagarde auf der Pressekonferenz. „Die Inflation bei Dienstleistungen erfordert eine sehr sorgfältige Überwachung“, sagte sie. Die EZB zeigt sich jedoch weiterhin zuversichtlich, dass die Teuerung in diesem Bereich im kommenden Jahr deutlich nachlässt und so eine nachhaltige Rückkehr zum Zielwert von 2% für die Gesamtrate der Inflation ermöglicht.

Profitmargen sinken

Die Notenbank stützt diese Hoffnung darauf, dass sie davon ausgeht, dass das Lohnwachstum im Euroraum 2025 abnehmen wird. Dieses ist für die Teuerung im arbeitsintensiven Dienstleistungssektor sehr bedeutsam. Zudem erwartet die EZB, dass aufgrund der schwachen Konjunktur die Unternehmen weniger Spielraum haben, höhere Lohnkosten über Preiserhöhungen an ihre Kunden weiterzugeben. Zuletzt waren die Profitmargen zwar gesunken, allerdings etwas weniger als von der EZB prognostiziert.

Dafür fiel das Wachstum der Tariflöhne im zweiten Quartal etwas stärker aus, als von der EZB antizipiert. Lagarde stellte jedoch darauf ein, dass das Lohnwachstum in den kommenden Monaten stark bleiben dürfte und erst im kommenden Jahr nochmals spürbar nachlässt.

Lagarde lobt Draghi-Bericht

Auf der Pressekonferenz wurde Lagarde von Journalisten auch auf den viel beachteten Bericht des ehemaligen EZB-Präsidenten Mario Draghi angesprochen, den dieser kürzlich der EU-Kommission übergeben hat. Darin bescheinigt der Italiener Europa Strukturschwächen, etwa wegen zu niedriger Investitionen. In der Folge lasse die internationale Wettbewerbsfähigkeit Europas nach. Draghi plädiert als einen Teil der Lösung für gemeinsame europäische Schulden, um damit Investitionen anzukurbeln.

Ein Vorschlag, der teilweise auf scharfe Kritik gestoßen ist, etwa vom ersten Chefökonomen der EZB, Otmar Issing. Lagarde steht dem Bericht Draghis dagegen deutlich wohlwollend gegenüber. Die Unterlagen seien beeindruckend. „Das könnte extrem hilfreich sein für Europa, um stärker zu sein – aber auch für uns als Zentralbank, um bessere Ergebnisse in unserer Geldpolitik zu erzielen“, sagte Lagarde. So wäre etwa eine verbesserte Produktivität eine gute Nachricht für die Europäische Zentralbank (EZB).

Die Aussagen bewerten einige Analysten als Beleg, dass Lagarde gemeinsame europäische Schulden begrüßen würde. Die Umsetzung dessen wäre allerdings etwas, was die Politik beschließen müsste und nicht die EZB. Da der Bericht jedoch auch noch weitere Vorschläge enthält, könnte sich Lagardes Lob zudem auch auf andere Maßnahmen beziehen. Wie schon beim Ausblick auf die Geldpolitik lässt die Notenbankpräsidentin also auch hierbei Spielraum für Interpretationen.


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