Finanzierung höherer Verteidigungsetats bleibt offen
ahe Brüssel
Vor dem Hintergrund des russischen Überfalls auf die Ukraine haben die EU-Mitgliedstaaten beschlossen, ihre Verteidigungsausgaben deutlich zu erhöhen und dabei erhebliche Investitionen einzusetzen, um die „festgestellten strategischen Defizite“ zu beseitigen. Auch sollen „Anreize für gemeinschaftliche Investitionen der Mitgliedstaaten in gemeinsame Projekte und in die gemeinsame Beschaffung“ entwickelt werten. Dies geht aus der Abschlusserklärung des EU-Gipfels in Versailles hervor, die am Freitag nach dem zweitägigen Treffen veröffentlicht wurde.
Konkrete Summen wurden in der Erklärung ebenso wenig genannt wie mögliche Finanzierungsinstrumente. Der französische Präsident Emmanuel Macron forderte nach dem Gipfel noch einmal, nötig seien gemeinsame und koordinierte EU-Mittel. Es müsse eine EU-Finanzierung geben, um Fragmentierungen innerhalb der Union zu verhindern.
Einstimmiger Beschluss
Nach den Worten von Macron muss jetzt erst einmal der Bedarf an öffentlichen wie privaten Investitionen ermittelt werden. Man habe auf dem Gipfel aber schon „Einstimmigkeit“ bezüglich des strategischen Ziels erreicht. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen ergänzte, es sei richtig, erst die Prioritäten und Notwendigkeiten für Investitionen festzulegen. Der Krieg in der Ukraine habe aber gezeigt, dass die im Zuge des Wiederaufbaufonds festgelegten Prioritäten Green Deal, Digitalisierung und wirtschaftliche Resilienz richtig gewesen seien.
Im Vorfeld des Gipfels hatte es Spekulationen über einen weiteren EU-Investitionsfonds gegeben, der über die Ausgabe von gemeinsamen Anleihen finanziert wird. Diese Idee hatte neben Macron auch der italienische Regierungschef Mario Draghi unterstützt. Medienberichte, wonach auf dem Gipfel die Ausgabe von EU-Bonds im Volumen von 2 Bill. Euro diskutiert wurde, wurden von informierten Kreisen in Versailles zurückgewiesen. Lediglich einer der Gipfelteilnehmer habe diese Zahl als möglichen Investitionsbedarf für die nächsten fünf bis sieben Jahre genannt, hieß es.
Draghi sprach in Versailles ebenfalls von insgesamt 1,5 bis 2 Bill. Euro oder noch mehr, die es koste, in den nächsten Jahren die Verteidigungs-, Klima- und Energieziele zu erreichen. „Mit den nationalen Haushalten ist das nicht zu schaffen, das habe ich klargemacht“, sagte er. „Wir müssen einen Kompromiss finden, woher wir die Gelder holen.“ Draghi plädierte in diesem Zusammenhang auch noch einmal dafür, die bisherigen Haushalts- und Schuldenregeln der EU zu überdenken.
Aus dem EU-Parlament kamen unterschiedliche Reaktionen: Der grüne Wirtschaftspolitiker Rasmus Andresen bezeichnete es als „enttäuschend“, dass einige Mitgliedstaaten stärkere Investitionen in Energieunabhängigkeit und Verteidigung blockierten. Diese seien auf europäischer Ebene effizienter und sinnvoller. „Wir brauchen einen Energieunabhängigkeits- und Sicherheitsfonds“, forderte Andresen. „Auch wir Grüne haben viele Fragen an die Ausgestaltung, aber die EU-Kommission hätte heute ein klares Mandat zur Vorbereitung bekommen müssen.“ Der CSU-Finanzexperte Markus Ferber hatte dagegen schon vor den Abschlussberatungen gewarnt: „Wir sollten dem Reflex widerstehen, auf jede neue Krise mit einem neuen Schuldenpaket zu reagieren.“ Es sei gefährlich, sich gerade in dieser Situation in neue Abhängigkeiten von den Finanzmärkten zu begeben.
Finanzhilfen für die Ukraine
Die Staats- und Regierungschefs der EU beschlossen allerdings weitere Hilfen für die Ukraine frei zu machen. So will die EU weitere 500 Mill. Euro für die Lieferung von Waffen und Ausrüstung an die ukrainischen Streitkräfte zur Verfügung stellen, wie Ratspräsident Charles Michel nach dem Gipfel sagte. Ein erstes Paket über 500 Mill. Euro war bereits Ende Februar für Waffen, Treibstoff und Schutzausrüstung bewilligt worden.
Zugleich wurde eine erste Tranche der Milliardenhilfen an das Land überwiesen. Die EU-Kommission kündigte am Freitag an, es seien 300 Mill. Euro ausgezahlt worden. Weitere 300 Mill. Euro der insgesamt 1,2 Mrd. Euro Notfallkredite sollen demnach in den nächsten Tagen folgen.