„Forward Guidance“ hat für die EZB ausgedient
Keine „Forward Guidance“ mehr
EZB diskutiert mit Ökonomen über die geldpolitische Strategie
Auf der Konferenz „ECB and its Watchers“ in Frankfurt diskutierte die Europäische Zentralbank mit Volkswirten darüber, wie die Notenbank in Zeiten zunehmender Inflationsschocks ihre geldpolitische Strategie anpassen muss. Kritik bekam die Notenbank vor allem für ihre Kommunikation in der Vergangenheit.
mpi Frankfurt
Die steigenden Fiskalausgaben in Europa könnten nach Ansicht des Ökonomen Klaus Adam vom University College of London die Position der EZB in den kommenden Jahren stärken. „Preisstabilität ist sehr wichtig in Zeiten der hohen Verschuldung“, sagte Adam auf der Konferenz „ECB and its Watchers“ in Frankfurt. Je höher die Staatsverschuldung ist, desto wichtiger sei es, dass eine Notenbank die Inflation im Griff habe, um hohe Leitzinsen zu vermeiden.
EZB-Präsidentin Christine Lagarde hatte zuvor auf der Veranstaltung betont, dass sich das Umfeld verändere, in dem die EZB agiere. Die Unsicherheit wachse, die Inflation dürfte volatiler werden, da mehr Inflationsschocks drohen als in der Vergangenheit. Um diese Herausforderungen zu meistern und Preisstabilität zu gewährleisten, arbeite die EZB in diesem Jahr an einer Überprüfung ihrer geldpolitischen Strategie.
EZB sollte Kommunikation überarbeiten
Refet Gürkaynak, Ökonom an der Bilkent University riet der Notenbank, ihre Kommunikationsstrategie zu überarbeiten. Sie sollte weniger kommunizieren, da ansonsten in der Masse an Wortmeldungen ihre Botschaften untergingen. Zudem sollte sich die EZB in ihrer Kommunikation auf die Geldpolitik beschränken und nicht über Themen sprechen, die nicht in ihrem Einflussbereich liegen.
Der frühere Bundesbankpräsident Axel Weber kritisierte die Kommunikation der EZB in der Vergangenheit. Es sei ein Fehler gewesen, Ende 2021 öffentlich zu sagen, dass man erst die Anleihekäufe reduziere, bevor man eventuell die Zinsen erhöhe. „Wir haben dadurch Monate verloren“, sagte Weber in Bezug auf die späten Zinserhöhungen trotz eines damals bereits kräftigen Anstiegs der Inflation. Öffentliche Festlegungen, in der Fachsprache Forward Guidance genannt, sind nach Ansicht mehrerer Teilnehmer von „ECB and its Watchers“ ein Instrument, was dann sinnvoll ist, wenn die Leitzinsen und die Inflation niedrig sind. In dieser Phase befindet sich die EZB jedoch nicht.
Aus der Vergangenheit gelernt
Die EZB scheint aus der Vergangenheit gelernt zu haben. Bereits seit längerem verzichtet die Notenbank auf eine öffentliche Festlegung auf einen bestimmten Kurs. Stattdessen betont sie in ihren Stellungnahmen nach einem Zinsentscheid mantraartig, dass man von Sitzung zu Sitzung datenabhängig entscheiden werde.
Lagarde betonte in ihrer Rede zu Beginn der Konferenz die Grenzen von Forward Guidance. „Eine der Lehren aus der jüngsten Zeit ist, dass Forward Guidance weniger hilfreich sein kann, wenn die Unsicherheit über die Art der Schocks zunimmt“, sagte Lagarde unter anderem. Dies sei aktuell der Fall.
„Daraus ergibt sich eine allgemeine Schlussfolgerung: Wenn das Ausmaß und die Verteilung von Schocks sehr unsicher werden, können wir keine Sicherheit bieten, indem wir uns auf einen bestimmten Zinspfad festlegen“, führte Lagarde aus. „Andernfalls könnte die Forward Guidance die Flexibilität der Politik angesichts abrupter Veränderungen des Inflationsumfelds einschränken.“
Weniger Lohndruck
Unterdessen veröffentlichte die EZB am Mittwoch auch neue Ergebnisse ihres experimentellen „Wage Trackers“. Dieser soll einen Aufschluss darüber geben, wie sich das Lohnwachstum in der Eurozone entwickeln könnte. Das derzeit hohe Lohnwachstum treibt aktuell vor allem die Inflation für Dienstleistungen, da diese arbeitsintensiv sind. Für die EZB ist es daher von großer Bedeutung, dass das Lohnwachstum nachlässt, damit sie ihr Inflationsziel von 2% für den gesamten Warenkorb mittelfristig erreicht. Die EZB attestiert beim Wage Tracker, dass sich die Anzeichen verdichten, dass der Lohndruck nachlasse.