Digitale Märkte

G20 aktiv gegen Desinformation durch KI

Soziale Netzwerke und künstliche Intelligenz fordern Demokratie und Rechtsstaat heraus. Die G20-Länder arbeiten an einer gemeinsamen Agenda, um gegen Desinformation vorzugehen und zugleich die ärmeren Länder nicht im Stich zu lassen.

G20 aktiv gegen Desinformation durch KI

G20 aktiv gegen
Desinformation durch KI

Staaten sagen Technologietransfer in Entwicklungsländer zu

lz Frankfurt

Die Digitalminister der G20-Staaten wollen gemeinsam gegen Desinformation vorgehen und insgesamt eine Agenda für künstliche Intelligenz (KI) aufstellen. In einer gemeinsamen Erklärung vom Wochenende dringen sie zudem auf eine „inklusive internationale Zusammenarbeit“ bei KI gerade mit Blick auf den Technologietransfer. Die Minister betonten im brasilianischen Maceió zudem die Notwendigkeit, dass digitale Plattformen transparent und „im Einklang mit der einschlägigen Politik und den geltenden rechtlichen Rahmenbedingungen“ sein müssten.

Es ist das erste Mal in der Geschichte der G20, dass die Gruppe das Problem der Desinformation benennt und Transparenz und Rechenschaftspflicht von digitalen Plattformen fordert, sagte João Brant, Sekretär für digitale Politik bei der brasilianischen Präsidentschaft, der Associated Press per Telefon. Erst vor wenigen Wochen hatten einige Industrieländer sich zu einer KI-Konvention des Europarats bekannt und Selbstverpflichtungen unterschrieben.

Bundesdigitalminister Volker Wissing begrüßte das neue Dokument. Deutschland stehe für einen wertebasierten Ansatz bei der Regulierung von KI und bei der Internet-Governance. „Unser Ziel ist ein freies, offenes und sicheres Internet ohne Zensur und staatlichem Zugriff“, schrieb er. Künstliche Intelligenz dürfe nicht zur Manipulation von Menschen und Meinungen genutzt werden. Die Bundesregierung unterstütze daher den brasilianischen Vorstoß, den Einsatz von KI gezielt in Ländern des globalen Südens zu fördern, um weltweit Chancengleichheit zu garantieren.

Pikante aktuelle Entwicklungen

Die aktuelle G20-Erklärung ist auch insofern von besonderer Tragweite, weil die französische Staatsanwaltschaft erst im August Telegram-Gründer Pawel Durow verhaftet hatte, unter anderem wegen des Verdachts der unzureichenden Kooperation mit Behörden bei Kriminalitätsermittlungen und Beihilfe zu Straftaten. Telegram ist ein Messengerdienst, der sowohl von Oppositionellen in autoritären Staaten als auch von Kriminellen und Demokratiefeinden gerne genutzt wird, weil Staatsorgane der Akteure kaum habhaft werden können wegen der Verschwiegenheit und Abgeschlossenheit des Dienstes. Inzwischen ist Durow gegen Kaution wieder auf freiem Fuß.

Und vor wenigen Tagen hatte Brasilien nach monatelangem Streit mit dem Sozialen Netzwerk X (früher Twitter) dieses wegen unzureichender Kooperation stilllegen lassen. Der zuständige Richter des obersten brasilianischen Bundesgerichts, Alexandre de Moraes, traf diese Entscheidung, nachdem die Nachrichtenplattform seiner Aufforderung nicht nachgekommen war, einen gesetzlichen Vertreter in Brasilien zu ernennen. X hatte ihr Büro Mitte des Monats mit der Begründung geschlossen, sie befürchte die Festnahme der damaligen Repräsentantin. Zuvor hatte der Oberste Gerichtshof von X die Sperrung von Konten rechtsgerichteter Aktivisten verlangt, die Verschwörungserzählungen und Falschinformationen verbreitet hätten. Die Nachrichtenplattform kam der Aufforderung nicht nach und zahlte auch die verhängte Geldstrafe nicht. X-Eigentümer Elon Musk hatte den brasilianischen Richter daraufhin als Diktator und Autokraten bezeichnet.

Richtlinien für KI

Im Hinblick auf KI sorgen sich Staaten, dass die grenzüberschreitenden „Intelligenzen“ sich nicht an Recht und Gesetz halten bezüglich des Trainings der KI-Software, aber auch beim Einsatz der verschiedenen Tools. Die G20-Vertreter einigten sich daher darauf, Richtlinien für die Entwicklung künstlicher Intelligenz aufzustellen, die eine „ethische, transparente und verantwortliche Nutzung von KI“ mit menschlicher Aufsicht und der Einhaltung von Datenschutz- und Menschenrechtsgesetzen fordern.

Entwickler einschlägiger Systeme sollten zudem versuchen, „ein breites Spektrum sprachlicher, soziokultureller, ethnischer und geografischer Kontexte abzubilden“. Es sei zu vermeiden, „dass diskriminierende oder voreingenommene Anwendungen und Ergebnisse während ihres gesamten Lebenszyklus verstärkt oder aufrechterhalten werden“. Ein Problem sehen die Verhandler etwa in Deepfakes und anderen echt wirkenden KI-Falschinformationen. Sie fordern die Integration von Mechanismen zur Inhaltsauthentifizierung und -herkunft sowie entsprechende technische Standards, die dabei helfen, KI-generierte Inhalte zu identifizieren und es Nutzern zu ermöglichen, Informationsmanipulationen zu erkennen.

„Wir hoffen, dass dies in der Erklärung der Staats- und Regierungschefs erwähnt wird und dass Südafrika die Arbeit fortsetzen wird“, sagte Renata Mielli, Beraterin des brasilianischen Ministeriums für Wissenschaft, Technologie und Innovation. Der G20-Gipfel der Staats- und Regierungschefs ist für November in Rio de Janeiro geplant.

Entwicklungsländer mehr integrieren

Ziel ist es laut der Erklärung, die Beteiligung aller Nationen und insbesondere der Entwicklungsländer „an der digitalen Transformation auszuweiten“. Nur so könnten alle die Vorteile der Schlüsseltechnik nutzen und „auf verantwortungsvolle und ethische Weise“ wirksam an der Entwicklung, Einführung und dem Einsatz sicherer und vertrauenswürdiger KI-Systeme teilnehmen.

Mielli, Brasiliens Verhandlungsführerin in der KI-Arbeitsgruppe, sagte, dass es Meinungsverschiedenheiten mit Ländern wie China und den Vereinigten Staaten gebe, lehnte es aber ab, Einzelheiten zu nennen. Am Ende, so Mielli, habe man sich darauf geeinigt, dass die reichsten Länder der Welt zusammenarbeiten sollten, um die globale Asymmetrie in der KI-Entwicklung zu verringern.

Brasilien hat derzeit den Vorsitz der G20-Staaten inne, und Präsident Luiz Inácio Lula da Silva hat Themen, die die Entwicklungsländer betreffen, wie die Verringerung der Ungleichheiten, in den Mittelpunkt seiner Agenda gestellt.