Gallier der Geldpolitik
Wir befinden uns in Jahr 2 nach Corona. In der ganzen Welt straffen Schwellenländer die Geldpolitik … In der ganzen Welt? Nein! Ein von unbeugsamen Währungshütern bevölkertes Dorf hört nicht auf, Anlegern und Investoren Widerstand zu leisten. Und das Leben ist nicht leicht für die internationalen Devisenhändler, die als Besatzung, pardon, Börsianer an den befestigten Handelsräumen rund um den Bosporus sitzen…
Just am Tag, an dem der neue Asterix-Band erscheint, haben die Währungshüter in der Türkei ihrem Ruf als Gallier der globalen Geldpolitik wieder einmal Ehre gemacht. Ihre Entscheidung, den Leitzins um gleich 2 Prozentpunkte auf 16% abzusenken, schlug an den Finanzmärkten ein wie ein Hinkelstein: Die Lira setzte ihre historische Talfahrt ungebremst fort.
Während sich andere mit Zinserhöhungen gegen die anziehende Inflation und Währungsturbulenzen stemmen, hat sich die türkische Zentralbank dem Willen des allmächtigen Staatschefs gefügt. Recep Tayyip Erdogan dringt unnachgiebig auf niedrigere Zinsen. Wer sich dem widersetzt, wird entmachtet. Binnen zweieinhalb Jahren hat Erdogan drei Notenbankchefs verschlissen. In Sahap Kavcioglu weiß er seit März einen willfährigen Gefolgsmann an der Spitze, der nun liefert. Zuletzt mussten drei Notenbanker aus der zweiten Reihe gehen, die es angesichts von Inflationsraten nahe 20 % gewagt hatten, Widerworte zu geben. Erdogan hat sich die Geldpolitik untertan gemacht.
Mit einem Kreditboom will er die Wirtschaft heiß laufen lassen. Anders als Majestix, der Stammesführer der Gallier, muss sich der Häuptling der Türken in spätestens 20 Monaten dem Votum seiner Untergebenen stellen. 9% Wachstum in diesem Jahr und 3,3% im nächsten Jahr prophezeit der Internationale Währungsfonds (IWF), mancher Beobachter noch mehr. Was, so Erdogans Kalkül, ist dagegen schon das bisschen Inflation?
Er geht eine Wette mit hohem Risiko ein. Das Land ist auf den Import von Energie angewiesen, die Firmen sind überdurchschnittlich in Fremdwährungen verschuldet. Beides verträgt sich nicht dauerhaft mit einer schwachen Währung. Die Notenbanker werden deshalb wieder zu den Devisenreserven greifen, um die Lira zu stabilisieren – doch die sind kein Zaubertrank. Zwar hat der IWF geholfen, sie aufzufüllen. Doch die Rolle des Druiden Miraculix, der ständig für Nachschub sorgt, kann er nicht übernehmen. Ist der Zaubertrank erst mal leer, bleiben wie 2020 doch nur höhere Zinsen, um einen Lira-Sturz ins Bodenlose samt Rezession zu verhindern. Den Galliern der Geldpolitik wird kein Happy End vergönnt sein.