Gegenwind für Lagarde aus den eigenen Reihen
Gegenwind für Lagarde
aus den eigenen Reihen
Erstes EZB-Ratsmitglied bringt Zinssenkung bereits im März ins Spiel
mpi Frankfurt
Nur einen Tag nachdem EZB-Präsidentin Christine Lagarde im Wirtschafts- und Währungsausschuss des Europäischen Parlaments vor den ökonomischen Kosten einer zu frühen Zinssenkung gewarnt hat, ergreifen mehrere Notenbanker das Wort für eine zeitnahe Lockerung. Zum ersten Mal bringt dabei ein Ratsmitglied der Europäischen Zentralbank (EZB) öffentlich eine Zinssenkung bereits im März ins Spiel.
Der maltesische Zentralbankchef Edward Scicluna forderte am Freitag seine Notenbankkollegen dazu auf, bei der Beurteilung der Inflationsentwicklung objektiv zu sein und den „Würgegriff“ für die Wirtschaft zumindest ein wenig zu lockern. Er hält daher eine Zinssenkung bereits in wenigen Wochen für denkbar. „Wir werden sehen, wie viele denken, dass es keinen Grund gibt, bis Juni zu warten.“ Scicluna, der sich nur selten öffentlich äußert, geht damit auf Konfrontationskurs zu Lagarde und anderen Ratsmitgliedern, die lieber die Lohnentwicklung im Euroraum und deren Auswirkungen auf die Inflation abwarten wollen, ehe Zinssenkungen ein Thema sind. Die Lohndaten für das erste Quartal liegen erst bis zur Juni-Sitzung vor. Zu diesem Termin halten die meisten Ökonomen die erste Zinssenkung für wahrscheinlich.
Zinssenkung der EZB im April?
Eine Zinssenkung im März wird es trotz der Wortmeldung Sciclunas mit ziemlicher Sicherheit nicht geben. Die Wahrscheinlichkeit einer Lockerung im April scheint in den vergangenen Wochen jedoch gestiegen zu sein. Sollte es dazu kommen, würde die EZB vermutlich vor der Fed die Zinswende einleiten. So mahnt nun auch der französische Notenbankpräsident François Villeroy de Galhau vor einer zu späten Zinssenkung. „Es ist keine Frage der Eile, aber schrittweises und pragmatisches Handeln kann besser sein, als zu spät zu entscheiden und dann übermäßige Anpassungen vornehmen zu müssen.“ Der italienische Notenbankchef Fabio Panetta hatte bereits am Montag bei seinem ersten öffentlichen Auftritt im neuen Amt gesagt, dass er die Inflationsgefahr für weitgehend gebannt hält.
Entschieden anders beurteilt unter anderem EZB-Direktoriumsmitglied Isabel Schnabel die Lage. Die Erfahrungen der 1970er Jahre würden die ökonomischen Kosten einer zu frühen Zinssenkung und anschließenden Zinserhöhung zeigen. Die Unsicherheit bei der Inflationsentwicklung sei derzeit hoch. „In diesem Umfeld muss die Geldpolitik so lange restriktiv bleiben, bis wir sicher sein können, dass die Inflation nachhaltig zu unserem mittelfristigen Ziel zurückkehren wird“, sagte Schnabel am Freitag in einer Rede beim European University Institute in Florenz. Die Debatte über den Zeitpunkt der ersten Zinssenkung nimmt im EZB-Rat an Fahrt auf.