Geldpolitik

Grat­wanderung für die US-Noten­bank

Mit der kräftigsten Zinserhöhung in 22 Jahren hat die Fed ihren Kurs weiter verschärft. Obwohl die Inflationsbekämpfung die höchste Priorität hat, haben der russische Angriffskrieg in der Ukraine und Lockdowns in China zugleich neue Risiken heraufbeschworen.  

Grat­wanderung für die US-Noten­bank

det Washington

Mit der Anhebung des Leitzinses um 50 Basispunkte hat der Offenmarktausschuss (FOMC) der US-Notenbank am Mittwoch die kräftigste Zinserhöhung seit der Dotcom-Blase 2000 beschlossen. Der Schritt entsprach ebenso den Markterwartungen wie die Tatsache, dass die Fed bis zum Herbst eine monatliche Reduktion der Bilanzsumme um 95 Mrd. Dollar anstrebt.

Unstrittig ist, dass angesichts der außerordentlich hohen Inflation eine Kursverschärfung notwendig war. Nach Powells Einschätzung befindet sich auch der US-Arbeitsmarkt in so robuster Verfassung, dass sich die Fed auf die Inflationsbekämpfung konzentrieren kann, ohne dabei die Vollbeschäftigung zu riskieren. „Einen Zielkonflikt sieht Powell nicht und hält die Wirtschaft für so stark, dass sie die geldpolitische Straffung verkraften kann, ohne in eine Rezession abzurutschen“, sagt Bantleon-Ökonom Andreas Busch.

Gleichwohl sorgte die Bestimmtheit, mit der Powell ausschließen wollte, dass das FOMC die Federal Funds Rate um 75 Basispunkte hochschrauben würde, für eine Überraschung. Auch löste die Tatsache, dass das Abschmelzen der Notenbankbilanz, die mittlerweile auf 9 Bill. Dollar angewachsen ist, nicht zeitgleich mit dem Zinsschritt eingeleitet wurde, einiges Erstaunen aus. Ökonomen schließen daraus, dass Powells Sorge um die gesamtwirtschaftliche Entwicklung doch schwerer wiegt.

Einerseits gilt als sicher, dass die Notenbank bis zum Jahresende einen neutralen Zinssatz anstrebt, den sie bei 2,5% veranschlagt. Gleichwohl sanken nach der Sitzung die Erwartungen für den Leitzinshöhepunkt auf 3,40% bis Mitte 2023. Denn eine noch stärkere Straffung scheint vom Tisch zu sein. Eine klare Antwort blieb Powell auch auf die Frage schuldig, warum die Fed nicht jetzt den Startschuss für den Bilanzabbau gibt.

Angesichts der hohen Inflation, deren Verlauf völlig unklar ist, hält Kathy Bostjancic, US-Chefökonomin bei Oxford Economics, Powells Aussage zu einer noch aggressiveren Vorgehensweise für einen Fehler. „Es hätte überhaupt nicht geschadet, diese Möglichkeit einfach offen zu lassen“, sagte sie. Womöglich habe der oberste Währungshüter Erwartungen an eine weitere Verschärfung der Geldpolitik einen Riegel vorgeschoben und somit die Voraussetzungen für eine „weiche Landung“ schaffen wollen, so Bostjancic.

Tatsächlich könnte die Sorge vor einer möglichen Rezession bei den Überlegungen der Mitglieder des Offenmarktausschusses doch eine größere Rolle gespielt haben. Schließlich hatte deren Abschlusserklärung ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die wirtschaftlichen Folgen des russischen Angriffskriegs in der Ukraine „höchst ungewiss“ seien. Auch könnten die Lockdowns in China die Lieferkettenstörungen verschärfen, heißt es.

Nach jetzigem Stand gilt als sehr wahrscheinlich, dass die Fed im Juni und Juli den Leitzins jeweils um weitere 50 Basispunkte heraufsetzen wird. Auch will der Offenmarktausschuss in Sachen Bilanzabbau auf Kurs bleiben und im Juni mit einer Reduktion um 47,5 Mrd. Dollar pro Monat beginnen, die bis September 95 Mrd. Dollar erreichen soll. Unterdessen müssen die Währungshüter aber eine schwierige Gratwanderung meistern, denn das Risiko einer Rezession wird im weiteren Jahresverlauf wohl eher wachsen.