Konjunktur

Große Sorgen um Chinas Wirtschaft

Vor der IWF-Tagung und dem Parteikongress in Peking zeigt sich Chinas Wirtschaft ungewohnt schwach. Zur schlechten Stimmung tragen neue Maßnahmen der USA bei.

Große Sorgen um Chinas Wirtschaft

ms Frankfurt

Kurz vor dem 20. Parteikongress der Kommunistischen Partei Chinas in der kommenden Woche wächst die Sorge um die Wirtschaft des Landes – was zugleich Ängste vor einer globalen Rezession nochmals verstärkt. Grund sind zum einen neue Konjunkturdaten, die ein eher düsteres Bild der weltweit zweitgrößten Volkswirtschaft zeichnen. Das wirtschaftliche Geschehen leidet insbesondere unter den anhaltenden Co­ro­na-Problemen. Zum anderen trüben verschärfte US-Sanktionen gegen Chinas Chipindustrie die Stimmung. Laut Experten könnten sich diese als bislang schwerster Schlag der USA gegen das Reich der Mitte entpuppen.

Globale Rezessionsängste

Als weltweit zweitgrößter Volkswirtschaft der Welt kommt China zentrale Bedeutung für die globale Wirtschaft zu – zumal in einer Zeit, in der die aggressive Zinswende in vielen Industrieländern und zuvorderst in den USA die dortige Konjunktur belastet und Rezessionsängste schürt. In der vergangenen Woche hatte auch der Internationale Währungsfonds (IWF) vor steigenden Risiken einer globalen Rezession gewarnt (vgl. BZ vom 7. Oktober). An diesem Dienstag legt der Fonds anlässlich seiner Jahrestagung in Washington seinen neuen Weltwirtschaftsausblick vor. Dieser bildet die Grundlage für die Diskussionen der Finanzminister und Notenbankchefs aus den 190 IWF-Mitgliedsländern.

Am 16. Oktober wiederum beginnt der alle fünf Jahre stattfindende Parteikongress in China. Allgemein wird erwartet, dass sich Präsident Xi Jinping eine beispiellose dritte Amtszeit sichert. Überschattet wird der Kongress von der ungewohnten Schwäche der Wirtschaft. Volkswirte haben zuletzt ihre Erwartungen wiederholt zurückgeschraubt. Inzwischen liegt die durchschnittliche Schätzung bei 3,3% Wachstum für dieses Jahr. Die chinesische Regierung peilt bislang nach offiziellen Angaben ein Wachstum von etwa 5,5% an. Anders als in vergangenen Jahren hält sich Peking bislang aber mit breiten Stützungsmaßnahmen zurück. Erhebliche Zinssenkungen beispielsweise sind gegen den Trend der weltweiten Zinserhöhungen kaum eine Option.

Chinas Wirtschaft leidet aktuell vor allem unter den hartnäckigen Corona-Problemen und der rigiden Null-Covid-Politik der Regierung. In den Stadtbezirken Putuo und Changning der Wirtschaftsmetropole Schanghai wurden am Montag Freizeit- und Unterhaltungseinrichtungen gesperrt. In der westlichen Region Xinjiang wurde ein Ausreiseverbot verhängt, nachdem die Zahl der Fälle immer weiter gestiegen ist. Als Chinas neuestes Covid-Epizentrum gilt inzwischen die Innere Mongolei. Seit dem 1. Oktober wurden aus dieser Region Tausende Fälle der hochansteckenden Coronavariante BF.7 gemeldet.

Aus China waren am Montag Mahnungen zur Geduld mit seiner strikten Null-Covid-Politik zu vernehmen. Peking steckt in einem gewissen Dilemma: Einerseits wächst der Druck auf die Behörden, Ausbrüche schnellstmöglich zu stoppen, zumal mit dem Auftauchen hochansteckender Varianten. Andererseits leidet die Wirtschaft immer stärker.

Das zeigten am Wochenende neue Daten. So hat sich etwa die Stimmung im chinesischen Dienstleistungssektor im September zum ersten Mal seit Monaten eingetrübt. Zudem signalisiert der vom Wirtschaftsmagazin „Caixin“ veröffentlichte Einkaufsmanagerindex (PMI) für den Servicebereich wieder eine schrumpfende Aktivität in dem Sektor. Der Index fiel von 55 Punkten im August auf 49,3 Zähler. Auch der in der vergangenen Woche veröffentlichte staatliche PMI hatte zum ersten Mal seit Mai einen Rückgang der Aktivitäten im Dienstleistungssektor signalisiert. Dieser betrachtet größere Unternehmen, während der Caixin-Index mehr auf kleinere Firmen fokussiert ist.

Am Wochenende wurde zudem bekannt, dass angesichts der deutlichen Verlangsamung der Wirtschaft die Aussichten der chinesischen Bevölkerung auf dem Arbeitsmarkt so schlecht sind wie selten. Der Beschäftigungsstimmungsindex der chinesischen Zentralbank, der auf einer Umfrage zu den Beschäftigungsaussichten der Haushalte beruht, sank im dritten Quartal auf 35,4 und damit auf den niedrigsten Stand seit Beginn der Datenerfassung im Jahr 2010. Werte unter 50 bedeuten eine Schrumpfung des Sektors.

Zur schlechten Stimmung tragen neue US-Beschränkungen für den Zugang Chinas zu amerikanischer Technologie bei. Zu den US-Maßnahmen gehören Ausfuhrbeschränkungen für einige Arten von Chips, die in der künstlichen Intelligenz und im Supercomputing eingesetzt werden, sowie strengere Vorschriften für den Verkauf von Halbleiterausrüstungen an chinesische Unternehmen. Die Maßnahmen seien unfair, würden auch US-Unternehmensinteressen schaden und den globalen Lieferketten einen Schlag versetzen, erklärte das chinesische Außenministerium.

Nach Einschätzung einiges Experten könnten die Beschränkungen zusammen einige der stärksten Maßnahmen darstellen, die seitens der USA bisher ergriffen wurden, um den Aufstieg des geopolitischen Rivalen China einzudämmen.

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