Euro-Konjunktur

Gute Stimmung trotz dritter Welle

Die Euro-Wirtschaft läuft besser als erhofft. Der gestiegene Einkaufsmanagerindex lässt auf den Beginn der erwarteten Aufholjagd schließen. Eine Rückkehr der Inflation lässt aber weiter auf sich warten.

Gute Stimmung trotz dritter Welle

Von Alexandra Baude und Mark Schrörs, Frankfurt

Die Wirtschaft im Euroraum hat einen fulminanten Start in das zweite Quartal erwischt. Obwohl in einigen der 19 Euro-Länder die Infektionszahlen weiter steigen, regional schärfere Lockdowns drohen und die Konjunkturprognosen für das laufende Jahr gesenkt werden, ist die Unternehmensstimmung zuletzt unerwartet gestiegen. Der Industrie und Dienstleister zusammenfassende Einkaufsmanagerindex PMI Composite kletterte im April um 0,5 auf 53,7 Punkte und liegt damit deutlich über der Marke von 50 Punkten – Werte darüber signalisieren Wachstum.

Dies spricht also dafür, dass die Wirtschaft wie erwartet im zweiten Quartal eine Aufholjagd startet. Denn im ersten Quartal wird das Bruttoinlandsprodukt (BIP) wohl um 1% ge­schrumpft sein, wie Ökonomen prognostizieren. Das Statistikamt Eurostat gibt am kommenden Freitag eine erste Schnellmeldung heraus.

Die vorläufigen Ergebnisse der monatlichen Umfrage des Analysehauses IHS Markit unter 5000 Unternehmen weist im April einige Besonderheiten auf. So senden die Dienstleister, die hauptsächliche unter den coronabedingten Restriktionen leiden, erstmals seit vergangenem August positive Signale. Der entsprechende Indikator kletterte um 0,7 auf 50,3 Punkte. Die Rückkehr auf den Wachstumspfad begründet IHS-Markit-Chefvolkswirt Chris Williamson damit, dass „sich mehr und mehr Unternehmen an ein Leben mit dem Virus anpassten und auf bessere Zeiten vorbereiteten“. Treiber sind neben Frankreich wohl Spanien und Italien, denn die deutschen Dienstleister wurden von der dritten Pandemiewelle ausgebremst, wie IHS Markit-Experte Phil Smith konstatierte.

Das Barometer der Industrie markierte im April ein neues Allzeithoch bei 63,3 Punkten – das sind 0,8 Zähler mehr als im Vormonat. Ökonomen warnen allerdings, dass hier bei der Interpretation Vorsicht geboten sei. So werde das Ergebnis überzeichnet, da Unternehmen in der Regel die aktuelle Lage nicht anhand des Vormonats-, sondern des Vorjahresvergleichs beurteilen würden, ar­gumentiert Commerzbank-Ökonom Christoph Weil. Im März/April sei dieser wegen des coronabedingt massiven Wirtschaftseinbruchs vor einem Jahr sehr positiv ausgefallen. Ab Mai, spätestens aber ab Juni werde „dieser Effekt allmählich herausfallen, sodass dann wieder mit niedrigeren Werten des Einkaufsmanagerindex zu rechnen ist“.

Thomas Gitzel, Chefökonom der VP Bank, warnt angesichts anhaltender Logistikprobleme vor einem konstruktionsbedingten Interpretationsfehler. Denn neben Halbleitern erstrecke sich die Knappheit mittlerweile auch auf Güter wie Plastik, Styropor oder auch Sperrholzplatten. Längere Lieferzeiten aber fließen mit einem positiven Vorzeichen in die Berechnung des Einkaufsmanagerindex ein, da dies normalerweise Ausdruck einer starken Nachfrage ist. „Gegenwärtig sind die Lieferschwierigkeiten aber auf eine Angebotsverknappung zurückzuführen und dies müsste genau genommen mit einem Minuszeichen versehen werden“, betonte Gitzel. Eine rasche Besserung sei nicht in Sicht; die Probleme würden „uns wohl noch das gesamte Jahr begleiten“. Der Mangel schlage sich auch in steigenden Kosten nieder, so Gitzel. Die Einkaufspreise, die laut IHS Markit so kräftig wie seit zehn Jahren nicht mehr gestiegen sind, verheißen für die kommenden Monate zunehmende Verbraucherpreise.

EZB vor intensiver Debatte

Mehr Wachstum und mehr Inflation – das wird auch in der Europäischen Zentralbank (EZB) genau beobachtet. EZB-Präsidentin Christine Lagarde hatte nach der Zinssitzung am Donnerstag gesagt, dass sich die Wirtschaft mehr oder weniger wie erwartet entwickelt. Für das zweite Quartal hatten die EZB-Volkswirte im März ein Wachstum von 1,3% prognostiziert. Den Inflationsanstieg zu Jahresbeginn, der stärker ausgefallen ist als erwartet, werten die Euro-Notenbanker als vorübergehendes Problem. Sie planen deshalb auf absehbare Zeit auch keine Abkehr vom ultralockeren Kurs. Bei der Sitzung im Juni dürfte es aber intensive Diskussionen über die Zukunft des Corona-Notfallanleihekaufprogramms PEPP geben (vgl. BZ vom 23. April). Einige Notenbanker wollen die Käufe ab dem dritten Quartal langsam herunterfahren.

Von der EZB vierteljährlich befragte Experten erwarten laut dem am Freitag veröffentlichten Survey of Professional Forecasters nun für 2021 etwas weniger Wachstum (4,2% statt zuvor 4,4%) und für 2022 etwas mehr Wachstum (4,1% statt 3,7%). Ihre Inflationserwartungen hoben sie für 2021 deutlich um 0,7 Punkte auf 1,6% an. Für die Folgejahre liegen die Erwartungen weiter bei 1,3% und 1,5%. Für 2025 sagen sie 1,7% voraus. Die EZB strebt mittelfristig unter, aber nahe 2% an.