Hoffnung auf starkes Wachstum verschiebt sich
Von Alexandra Baude, Frankfurt
Die mittlerweile dritte Coronawelle, schleppend verlaufende Impfkampagnen – die zudem durch Thrombosefälle bei den Vakzinen von AstraZeneca und Johnson & Johnson verlangsamt werden – und die Lieferengpässe, die die Industrie bremsen, lasten schwer auf den weiteren Aussichten für das Wirtschaftswachstum. Insgesamt gesehen wird zwar weiter mit einer kräftigen Erholung im Euroraum gerechnet, doch verschieben sich die Hoffnungen auf ein (noch) stärkeres Wachstum teilweise von 2021 auf 2022, wie auch das aktuelle Konjunkturtableau der Börsen-Zeitung zeigt.
Angesichts der immer noch großen Unsicherheiten, die vom zukünftigen Verlauf der Corona-Pandemie ausgehen, findet ZEW-Experte Michael Schröder das nicht verwunderlich. Die vom Mannheimer Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) für das Konjunkturtableau ermittelte Medianprognose für das laufende Jahr steht aktuell bei 4,3% – zu Jahresbeginn war für das Bruttoinlandsprodukt (BIP) noch ein Plus von 4,8% erwartet worden. Für 2022 hingegen hoben die Auguren die Voraussage von +3,3% im Januar auf nun +4,2% an (siehe Tabelle).
Für Deutschland ergibt sich ein ähnliches Bild – zu Jahresbeginn standen die Erwartungen für 2021 und 2022 bei +4,0% und +3,2%, nun sind es +3,4% und +4,0%. Laut Reuters werden die führenden Wirtschaftsforschungsinstitute in ihrer Gemeinschaftsdiagnose ihre Prognose für das laufende Jahr auf 3,7% senken. Im Herbst waren es noch 4,7%. Für 2022 wurde die Prognose dagegen kräftig von 2,7 auf 3,9% angehoben. Dann soll der private Konsum das Wachstum spürbar anschieben. Zum Vergleich: Im Coronajahr 2020 war das BIP um 4,9% eingebrochen. Die Gemeinschaftsdiagnose, die der Bundesregierung als Basis für deren Projektionen dient, soll am heutigen Donnerstag vorgestellt werden. Die Regierungsprognose für 2021 liegt aktuell bei 3%.
USA und China sausen voran
Global gesehen hinkt die Eurozone anderen Volkswirtschaften und Wirtschaftsräumen weit hinterher – nicht nur wegen des langsameren Impftempos, sondern auch wegen der im Vergleich geringen Fiskalstimuli. Pimco-Chefvolkswirt Joachim Fels sieht in dem gestern vorgestellten Konjunkturausblick in diesem Jahr China mit einem prognostizierten Wachstum von mehr als 8% und die USA, für die er ein Plus von 7 bis 8% ansetzt, weit vorauseilen. Für die Eurozone liegt die Pimco-Prognose für 2021 bei mehr als 4%, 2022 sollen es dann fast 5% sein. Die Inflation dürfte wegen einer Kombination aus Basiseffekten, dem jüngsten Anstieg der Energiepreise und Preisanpassungen in Sektoren, in denen die Wirtschaftstätigkeit anzieht, in den kommenden Monaten steigen, im Jahresverlauf dann aber wieder fallen. 2021 und 2022 dürfte die Kerninflation in allen großen Industrieländern unter den Zielen der Zentralbanken bleiben.
Dies deckt sich mit den Prognosen des Konjunkturtableaus, die für 2021 leicht von 1,5% im März-Tableau auf nun 1,6% gestiegen sind (vgl. BZ vom 12. März). Da es im Jahresdurchschnitt 2022 dann 1,4% sein sollen, erwarten die Experten „somit nur einen temporären, relativ geringen Anstieg der Inflation auf Werte, die selbst im Falle des höchsten Prognosewerts für 2021 von 1,8% noch unter dem Inflationsziel der EZB liegen“, betont Schröder. Die Spannbreite der Prognosen für 2022 von 0,7% bis 1,9% zeugten jedoch von einer „bemerkenswert großen Unsicherheit“.
Bemerkenswert sind für Schröder die Veränderungen bei den Vorhersagen für die Arbeitslosenquote – vergangenen Monat standen sie noch bei 8,9% (2021) und 10,2% (2022). Inzwischen sind es 8,4% und 8,0%. Zu dieser Neueinschätzung habe vermutlich der bisherige, überraschend gemäßigte Anstieg der Arbeitslosigkeit beigetragen, vermutet Schröder. Allerdings scheine die Unsicherheit hinsichtlich des weiteren Verlaufs recht groß zu sein, was sich in den Bandbreiten der Prognosewerte für 2022 ausdrücke: Der Tiefstwert von 7,2% wäre ein Rückgang unter die schon relativ niedrige Quote des Jahres 2019 von 7,5%, der Höchstwert von 10,2% würde einen extremen Anstieg in den kommenden 12 bis 18 Monaten bedeuten.
Für Schwung im Euroraum sorgt derzeit die Industrie, da die Dienstleister stark unter den Coronabedingten Restriktionen leiden. Im Februar allerdings gab es einen Dämpfer: Laut Statistikamt Eurostat drosselten die Betriebe die Produktion um 1,0% im Monatsvergleich – Ökonomen hatten mit −1,1% gerechnet nach +0,8% im Januar. Im Vergleich zu Februar 2020 verzeichnet Eurostat einen Rückgang um 1,6%
Konjunkturtableau | ||||||||||
3. Quartal | 4. Quartal | Prognose 2021 | Prognose 2022 | |||||||
2019 | 2020 | 2020 | 2020 | Tief | Median | Hoch | Tief | Median | Hoch | |
Volkswirtschaftliche Daten | ||||||||||
Bruttoinlandsprodukt1 | 1,2 | –6,6 | 12,5 | –0,7 | 3,3 | 4,3 | 5,3 | 3,3 | 4,2 | 5,0 |
Privatkonsum1 | 1,3 | –8,0 | 14,1 | –3,0 | 3,0 | 3,2 | 3,7 | 2,9 | 4,7 | 6,7 |
Staatskonsum1 | 1,8 | 1,2 | 4,6 | 0,4 | 2,8 | 3,6 | 3,8 | 0,7 | 1,3 | 1,6 |
Anlageinvestitionen1 | 5,7 | –8,3 | 13,9 | 1,6 | 2,7 | 5,2 | 6,7 | 4,5 | 5,2 | 6,3 |
Exporte1 | 2,5 | –9,4 | 16,7 | 3,5 | 5,8 | 10,1 | 10,5 | 2,2 | 5,5 | 6,5 |
Importe1 | 3,9 | –9,2 | 11,8 | 4,1 | 4,4 | 8,9 | 9,8 | 1,6 | 6,6 | 7,3 |
letzter Wert | ||||||||||
Verbraucherpreise2 | 1,2 | 0,3 | 1,3 (März) | 0,9 | 1,6 | 1,8 | 0,7 | 1,4 | 1,9 | |
Arbeitslosenquote3 | 7,5 | 7,8 | 8,3 (Februar) | 8,0 | 8,4 | 9,1 | 7,2 | 8,0 | 10,2 | |
Zinsen und Zinsdifferenzen | In 3 Monaten | In 12 Monaten | ||||||||
3-Monats-Geld3 | –0,36 | –0,43 | –0,54 | –0,6 | –0,5 | –0,3 | –0,6 | –0,5 | –0,2 | |
10-jährige Anleihen3 | –0,14 | –0,57 | –0,30 | –0,6 | –0,3 | –0,2 | –0,5 | –0,2 | 0,3 | |
USA/Eurozone, langfristig3;4 | 205 | 151 | 194 | 145 | 177 | 210 | 140 | 180 | 215 | |
USA/Eurozone, kurzfristig3;4 | 269 | 107 | 72 | 50 | 74 | 80 | 45 | 75 | 80 | |
Eurozone lang/kurz3;4 | 22 | 14 | 24 | –2 | 20 | 32 | 5 | 20 | 77 | |
Redaktionsschluss: 14. April, Tagesdaten vom 13. April1) real gegen Vorjahr bzw. Vorquartal in %; 2) gegen Vorjahr in %; 3) Werte für 2019 und 2020 sind Jahresdurchschnitte, letzter Wert der Zinsen und Zinsdifferenzen sind Stände vom Vortag; 4) in Basispunkten |