Hoffnungsschimmer für deutsche Industrie
Hoffnungsschimmer für die Industrie
Ökonomen sehen Zeichen der Bodenbildung − Produktion steigt − Exporte fallen unerwartet − Weniger Lkw unterwegs
Der Datenkranz des deutschen verarbeitenden Gewerbes hat für Optimisten wie Pessimisten gleichermaßen etwas zu bieten: Die Produktion steigt, aber weniger Lkw verheißen einen künftigen Rückgang. Und die Exporte sinken unerwartet. Insgesamt aber mehren sich die Zeichen der Bodenbildung.
ba Frankfurt
Bodenbildung statt Trendwende lautet das Fazit der deutschen Industriedaten zum Jahresbeginn. Die Produktion hat den Rückgang vom Dezember wieder wett gemacht, der merklich geringere Brummiverkehr verheißt allerdings keinen weiteren deutlichen Produktionsanstieg. Dass die Exporte unerwartet schwächer ausgefallen sind, liegt wohl am nachlassenden Rückenwind vorgezogener Bestellungen angesichts der drohenden US-Zölle. Diese sorgen auch für einen trüberen Ausblick für die hiesige Industrie. Das geplante Ausgabenprogramm für Verteidigung und Infrastruktur der potenziellen Koalitionspartner CDU/CSU und SPD wiederum könnte dem verarbeitenden Gewerbe einen Produktionsschub bringen.
Stärkstes Plus seit August
Laut dem Statistischen Bundesamt (Destatis) haben Industrie, Bau und Energieerzeuger die Gesamtfertigung im Januar preis-, saison- und kalenderbereinigt um 2,0% zum Vormonat gestiegen. Ökonomen wurden vom stärksten Anstieg seit August überrascht: Sie hatten ein Plus von 1,5% auf der Rechnung. Zudem verlief der Dezember mit −1,5% weniger schwach als zunächst mit −2,4% gemeldet. Für die drei Monate bis Januar ergibt sich eine Stagnation im Vergleich zu den drei Monaten zuvor. „Die Jahresrate hingegen spiegelt mit −1,6% den schwachen Verlauf im Jahr 2024 wider“, kommentiert Michael Herzum von Union Investment. „Aber das ist nach unserer Einschätzung Schnee von gestern.“

„Auch wenn zum Jahresbeginn vorherige Produktionsverluste teilweise wieder ausgeglichen werden konnten, zeichnet sich im produzierenden Gewerbe insgesamt noch keine Erholung ab“, erklärte das Bundeswirtschaftsministerium. „Angesichts der zuletzt deutlich rückläufigen Auftragseingänge sowie der abermals gestiegenen geopolitischen Unsicherheiten ist derzeit noch keine nachhaltige Belebung der Industrieproduktion abzusehen.“ Im Januar waren die Neubestellungen unerwartet stark um 7,0% eingebrochen.
Autosektor schiebt an
Dass die Industrie im engeren Sinne – also ohne Bau und Energieerzeugung – 2,6% mehr produzierte, führt Ralph Solveen von der Commerzbank zu einem beträchtlichen Teil auf eine wieder deutlich höhere Autoproduktion (+6,4 %) zurück. „Offensichtlich hat die Saisonbereinigung wieder einmal den Einfluss der Lage der Weihnachtsfeiertage auf die Produktion nicht vollständig herausgefiltert.“ Der Trend zeige hier allerdings weiter deutlich nach unten, der Autosektor bleibe der Schwachpunkt der deutschen Industrie. Bei den energieintensiven Sektoren (+3,4%) scheine sich die Produktion zumindest stabilisiert zu haben.
Die Herstellung chemischer Erzeugnisse etwa hat um 5,6% zugelegt. Die Wiesbadener Statistiker hoben zudem die Produktionszuwächse in der Nahrungsmittelindustrie (+7,5%) und in der Maschinenwartung und -montage (+15,6%) hervor. Und auch im gewichtigen Maschinenbau ergab sich ein Plus von 1,0%. Deutliche Rückgänge gab es hingegen im zuletzt häufig durch Großaufträge geprägten sonstigen Fahrzeugbau (–12,2 %), bei Metallerzeugnissen (–7,7% sowie pharmazeutischen Erzeugnissen (–5,3%).
Plus auch im Bau
Außerhalb der Industrie sank die Energieerzeugung um 0,5%. Die Fertigung der kriselnden Baubranche stieg hingegen um 0,4%. Im Februar hat sich das vom Ifo abgefragte Geschäftsklima verbessert, da die Erwartungen weniger skeptisch – wenn auch immer noch überwiegend pessimistisch – ausfielen als zuletzt. Zentrales Problem bleibt allerdings der Auftragsmangel, auch wenn sich hier die Lage etwas entspannt hat: Rund 42% der Unternehmen nach 44% im Januar beklagten zu wenig Aufträge.
„Die Auftragslage im Bau bleibt angespannt“, kommentierte Ifo-Experte Klaus Wohlrabe. Von einer Entspannung sei noch keine Rede. „Ein mögliches Sondervermögen für Infrastruktur könnte die Durststrecke im Bau beenden", denn die Unternehmen hätten deutlich mehr Planungssicherheit und könnten in neue Kapazitäten investieren.
LBBW-Ökonom Jens-Oliver Niklasch wertet die Produktionszahlen als „ordentlichen Auftakt ins Jahr 2025“. Es sei „natürlich noch ein wenig zu früh, aus dieser einen Zahl schon einen Trend abzuleiten.“ Aber unter Berücksichtigung des schwachen Außenhandels und der schon vorliegenden Januar-Zahlen für den Einzelhandel dürfte das Bruttoinlandsprodukt „im ersten Quartal 2025 leicht gewachsen sein oder stagniert haben“.
Unerwartetes Exportminus
Im Januar gaben die deutschen Exporte kalender- und saisonbereinigt im Monatsvergleich um 2,5% auf 129,2 Mrd. Euro nach. Ökonomen hatten mit einem Plus von 0,5% gerechnet. Die Importe hingegen legten um 1,2% auf 113,1 Mrd. Euro zu. Die Handelsbilanz engte sich daher auf 16,0 Mrd. Euro nach 20,7 Mrd. Euro im Dezember.

„Die deutsche Exportwirtschaft befindet sich im freien Fall. Nach einem bereits historisch schlechten Jahresstart sinken die Zahlen immer noch weiter.“, betonte Dirk Jandura, Präsident des Außenhandelsverbands BGA. Die unsichere Weltlage führe ebenfalls zu sinkender Nachfrage bei den beiden größten Handelspartnern USA und China. Hier meldet Destatis Rückgänge von 4,2 bzw. 0,9%. Für die Drittstaaten insgesamt, also jene außerhalb der EU, ergibt sich ein Minus von 0,4%. In die EU-Mitgliedsstaaten wurde 4,2% weniger exportiert, wobei die Ausfuhren in die Euro-Länder um 5,0% schrumpften und die Exporte in die EU-Länder außerhalb des gemeinsamen Währungsraums um 2,3% niedriger ausfielen.
Trübe Aussichten
Die Aussichten sind trübe, neben der unsicheren US-Handelspolitik belastet auch die Industriepolitik Chinas. „Neue Freihandelsabkommen mit anderen Ländern wären eine probate Antwort darauf“, empfiehlt Alexander Krüger, Chefvolkswirt der Hauck Aufhäuser Lampe Privatbank. „Der Exportwirtschaft fehlt es an Dynamik und Aufbruchstimmung“, resümiert Wohlrabe den Anstieg der Ifo-Exporterwartungen im Februar um 2,1 auf auf –5,0 Punkte. „Die heimischen Unternehmen warten weiterhin auf einen Anstieg der Nachfrage aus dem Ausland.“
Große Standortsorgen
Dass Unternehmer statt in Innovation und Wachstum zu investieren, lediglich Ersatzinvestitionen vornehmen, ist für Jandura „ein klares Alarmsignal für die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts“. Er fordert daher von der neuen Bundesregierung „grundsätzliche Reformen an unserem Standort“. Diese Stimuli haben „das Potenzial, den Standort zu stärken und die Investitionstätigkeit anzukurbeln“, meint Herzum von Union Investment. Bis die Pakete (auch das auf EU-Ebene) beschlossen und wirksam würden, werde es noch eine Weile dauern. „Entscheidend aber ist das Signal, dass Deutschland und Europa die Herausforderungen konsequent angehen.“ Auch Thomas Gitzel, Chefökonom der VP Bank, wanrt vor zu großen Erwartungen: „Bislang ist allerdings noch offen, ob im Deutschen Bundestag die nötige Zweidrittelmehrheit zustande kommt.“ Die Anzahl der Unbekannten sei noch groß und "der gute Jahresauftakt der Industrieproduktion sollte deshalb zunächst einmal nicht als gutes Omen verstanden werden“.
Weniger Lkw, weniger Produktion
Zumal die Fahrleistung mautpflichtiger Lastkraftwagen mit mindestens vier Achsen auf Bundesautobahnen im Februar um 2,5% geringer war als im Vormonat und um 2,8% unter dem Niveau des Vorjahresmonats liegt. Da wirtschaftliche Aktivität Verkehrsleistungen erzeugt und benötigt, besteht Destatis zufolge „ein deutlicher Zusammenhang zwischen dem Lkw-Maut-Fahrleistungsindex und Indizes zur wirtschaftlichen Aktivität, insbesondere der Industrieproduktion“. Da die Daten etwa einen Monat früher verfügbar sind als die zur Produktion, gelten sie als Vorbote für den Konjunkturverlauf.