Hohe deutsche Staatsquote nimmt der Wirtschaft die Luft zum Atmen
Hohe Staatsquote bremst das Wachstum
Über 50 Prozent im laufenden Jahr – Steuer- und Abgabenbelastung steigen weiter – Reformen überfällig
Die demografische Entwicklung und überzogene Ansprüche an den Staat einhergehend mit großem Misstrauen gegenüber der Marktwirtschaft treiben die öffentlichen Ausgaben in wachstumsfeindliche Gefilde. Der Staat sollte sich mehr auf seine Kernaufgaben und ordnungspolitischen Funktionen konzentrieren.
Von Stephan Lorz, Frankfurt
Höhere öffentliche Ausgaben im vergangenen Jahr und ein schwaches Wirtschaftswachstum haben die Staatsquote in Deutschland anschwellen lassen. Ihr Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) stieg auf 49,5%, teilte das Statistische Bundesamt mit. 2023 lag dieser Wert noch bei 48,4%. Der aktuelle Anstieg sei seitens des Staates vor allem auf deutlich erhöhte monetäre Sozialleistungen, etwa für Renten, Pflege- oder Bürgergeld, sowie auf höhere soziale Sachleistungen wie für Klinikbehandlungen oder Pflege zurückzuführen, hieß es.
Kein Geld für Konsum
Ökonomen sehen diese Entwicklung aus zweierlei Gründen kritisch: Zum einen gehen steigende Staatsausgaben in der Regel mit ebenfalls zunehmender Steuer- und Abgabenbelastung einher. „Die Staatsausgaben von heute sind die Steuern von morgen“, sagte Stefan Kooths vom Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW) der Nachrichtenagentur Reuters. Schon damit wird das Wirtschaftswachstum weiter gedämpft, weil sich für Unternehmen manche Investitionen nicht mehr lohnen und Bürger weniger Geld für den Konsum zur Verfügung steht.

Zum anderen sind die höheren Staatsausgaben auch Ausdruck wachsender Bürokratie, was für sich genommen schon jede Wirtschaftstätigkeit bremst. Der Staat, so Ifo-Chef Clemens Fuest, übernehme immer mehr Zuständigkeiten: neue Aufgaben, mehr Ausgaben und höhere Abgaben schaukelten sich gegenseitig hoch. Insofern habe eine steigende Staatsquote „fatale Rückwirkungen auf die Leistungsfähigkeit eines Landes und die wirtschaftliche Dynamik geht zurück“, schrieb Fuest jüngst in einem Aufsatz zur überfälligen Wachstumsagenda der neuen Bundesregierung.
„Fehlentwicklung“
In den Jahren bis 2019 hatte der Anteil der Staatsausgaben noch bei rund 45% gelegen. Dass diese Quote während der Corona-Pandemie auf über 50% gestiegen sei, könne man rechtfertigen, räumt Fuest ein. Doch dass der aktuelle Wert nahe dieser Höhe verharrt, hält er für eine „Fehlentwicklung“. Angesichts dieser Dimension sei nicht akzeptabel, wenn das Umschichten von Staatsausgaben als unmöglich dargestellt werde. Er plädiert für Streichung von Subventionen, Bestimmungen und Aufgaben des Staates sowie für Sozialreformen, um den demografiebedingten Ausgabenanstieg zu bremsen.
Ein Teil der höheren Ausgaben werden von Ökonomen durchaus gutgeheißen, wenn es etwa um personelle Ressourcen in mehr Sicherheit (Polizei, Bundeswehr) oder für soziale Dienste (Pflegekräfte, Erzieher) geht. Doch hat etwa auch die Zahl der Beamten in den Bundesministerien drastisch zugenommen – seit 2013 um 50% vor allem in den oberen Besoldungsgruppen. Und die Frage stellt sich, warum man stattdessen nicht Umgruppierungen vorgenommen oder die Ministerien nicht durch Streichung von Aufgaben und Bürokratieabbau entlastet hat.
IfW-Forscher Kooths sieht durch die Höhe der Staatsquote auch die Gefahr, dass die Standortattraktivität durch „das Drehen an der Abgabenschraube“ noch weiter sinkt, sofern dem keine verbesserten Produktionsbedingungen gegenüberstünden. „Deutschland fällt im Rennen um die Talente der Welt sowie bei Direktinvestitionen immer weiter zurück“, warnt Kooths. „Denn die mobilsten Arbeitskräfte sind zugleich die produktivsten, Kapital ist ohnehin mobil.“
Ordnungspolitik effizienter
In ihrem Frühjahrsgutachten sagen die Wirtschaftsinstitute für Deutschland schon für das laufende Jahr ein Überschreiten der 50-Prozent-Marke voraus – auch wegen höherer Ausgaben für Verteidigung und Infrastruktur. 2026 soll die Staatsquote dann sogar auf über 51% klettern. Ökonomen wundern sich, weshalb der Staat sich nicht stärker darauf konzentriert, durch Reformen und Bürokratieabbau (also letztlich weniger Staat) für mehr privatwirtschaftliches Wachstum zu sorgen. Warum nicht mehr Energie auf die Vervollständigung des EU-Binnenmarkts konzentrieren oder auf die Marktkräfte setzen, statt öffentliche Ressourcen für Markteingriffe einzusetzen? Denn Ordnungspolitik ist billiger, als Personal vorzuhalten, das die Einhaltung detaillierter Staatsvorgaben kontrolliert.