Geschäftsklima sinkt zum vierten Mal

Ifo-Barometer sendet Rezessionssignal

Die Stimmung der deutschen Unternehmen gehört schon fast in die Kategorie unterirdisch. Nun ist das Ifo-Geschäftsklima erneut gesunken. Gegenwart und Zukunft werden pessimistischer beurteilt.

Ifo-Barometer sendet Rezessionssignal

Ifo-Index funkt Rezessionssignal

Unerwartet kräftiges Minus − Nur die Baubranche hält dagegen

Die Stimmung der deutschen Unternehmen gehört schon fast in die Kategorie unterirdisch. Nun ist das Ifo-Geschäftsklima erneut gesunken und reiht sich ein in die Riege schwach ausgefallener Konjunkturindikatoren. Immer mehr belasten strukturelle Faktoren die Wirtschaft und schlagen auf den Arbeitsmarkt durch.

ba Frankfurt

Gegenwart und Zukunft erscheinen den deutschen Unternehmen immer trüber. Im September ist das Ifo-Geschäftsklima deutlich schwächer ausgefallen als erwartet und folgt damit den ohnehin flauen Vorgaben der Umfragen von ZEW und Sentix sowie der Einkaufsmanagerumfrage. Der ohnehin nur schwach erwartete Aufschwung im zweiten Halbjahr verschiebt sich noch weiter, und für das dritte Quartal steht ein erneutes Schrumpfen der Wirtschaftsleistung an. Nach dem Minus von 0,1% im Frühjahr wäre die hiesige Wirtschaft dann per definitionem in die technische Rezession gerutscht. Die noch ausstehenden Herbstprojektionen von Instituten und Bundesregierung dürften weitere Prognosesenkungen beinhalten.

Der Ifo-Geschäftsklimaindex ist im September auf 85,4 Punkte gefallen, nach 86,6 Zählern im August. Ökonomen hatten zwar den vierten Rückgang in Folge erwartet, allerdings nur auf 86,0 Punkte. Der Rückgang beruht vor allem auf der deutlich höheren Unzufriedenheit der Unternehmen mit den laufenden Geschäften. Der Index gab um 2,0 auf 84,4 Punkte nach. Aber auch der Ausblick auf die kommenden Monate trübte sich weiter ein. Hier misst das Ifo einen Wert von 86,3 nach 86,8 Zählern.

„Die deutsche Wirtschaft gerät immer stärker unter Druck“, kommentierte Ifo-Präsident Clemens Fuest das Ergebnis der monatlichen Umfrage unter 9.000 Managern. Mit Ausnahme der kriselnden Bauwirtschaft trübte sich die Unternehmensstimmung in sämtlichen betrachteten Wirtschaftszweigen ein. Vor allem aber im verarbeitenden Gewerbe. Hier sank der Indikator auf den niedrigsten Stand seit Juni 2020, also während der Zeit der Corona-Pandemie, als vor allem der Chipmangel und sonstige Lieferkettenprobleme die Produktion massiv einschränkten. Nun habe sich der Auftragsmangel weiter verschärft, melden die Münchener Wirtschaftsforscher. „Die Kernbranchen der deutschen Industrie stecken in Schwierigkeiten.“

Bei den Dienstleistern hingegen fielen die Erwartungen etwas weniger skeptisch aus, der Klimaindex hat allerdings weiter nachgegeben. „Im Tourismus und im Gastgewerbe verbesserte sich die Stimmung“, meldet das Ifo. Insgesamt aber hielten sich die Verbraucher beim Geldausgaben noch zurück, trotz sinkender Inflation und steigender Reallöhne, erklärte Ifo-Experte Klaus Wohlrabe im Reuters-Interview. „Ein Grund dafür dürfte die steigende Arbeitslosigkeit sein.“ Dadurch hielten viele Verbraucher ihr Portemonnaie zu, dafür steige die Sparquote.

„Die deutsche Wirtschaft steht am Rande einer Abwärtsspirale“

„Die deutsche Wirtschaft steht am Rande einer Abwärtsspirale“, resümierte Wohlrabe. Er rechnet im dritten Quartal mit einem leicht schrumpfenden BIP. Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer sieht die Wirtschaftsleistung in der zweiten Jahreshälfte „in der Grundtendenz bestenfalls stagnieren“. Dass auch strukturelle Problem wie die Standortqualität eine Rolle spielten, erkenne man daran, dass die Unternehmen ihre gegenwärtige Geschäftslage seit 2018 – nur unterbrochen von starken Schwankungen während der Corona-Pandemie – in der Grundtendenz immer zurückhaltender einschätzten. „Während es berechtigte Hoffnungen gibt, dass die zyklischen Bremseffekte mit der Zeit abklingen, werden die strukturellen Probleme der deutschen Volkswirtschaft auf lange Sicht Fesseln anlegen; zumindest so lange, bis ein großer, Vertrauen schaffender Reformentwurf diese Herausforderungen glaubhaft angeht“, betont Andreas Scheuerle von der DekaBank. Dies sei derzeit nicht in Sicht, und somit werde die seit 2019 anhaltende Stagnationsphase in die Verlängerung gehen.

„Das deutsche Geschäftsmodell ist überholt, Strukturprobleme sind groß und die Politik verunsichert“, schlägt Alexander Krüger, Chefvolkswirt der Hauck Aufhäuser Lampe Privatbank, in dieselbe Kerbe. „Der allgemeine Trend zu sinkenden Wachstumsprognosen dürfte sich daher fortsetzen.“ Damit rücke auch der Arbeitsmarkt immer mehr in den Fokus: Die Kurzarbeit in der Industrie dürfte ebenso wie Stellenkürzungspläne weiter zunehmen.

IMK senkt Prognose ...

Jüngstes Mitglied im Club der Prognosesenker ist das Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung. Wegen „einer verhaltenen Nachfrage aus dem Ausland, einer restriktiven und unsteten Fiskalpolitik der Bundesregierung, die sowohl das Konsumentenvertrauen als auch Investitionen bremst, und einer trotz erster Zinssenkungen nach wie vor zu straffen Geldpolitik der EZB“ kappt das Institut seine BIP-Prognose für 2025 auf +0,7 (zuvor: 0,9)%, nachdem für dieses Jahr nurmehr eine Stagnation (0,1%) erwartet wird.

„In dieser Situation bräuchten wir in Deutschland eine wirtschaftspolitische Zeitenwende mit umfangreichen und kontinuierlichen Investitionen unter anderem in erneuerbare Energien, Netze, Verkehrsinfrastruktur und Bildung“, erklärte der wissenschaftliche Direktor des IMK, Sebastian Dullien. In den kommenden zehn Jahren müssten zusätzlich 600 Mrd. Euro investiert werden. In der Wachstumsinitiative der Bundesregierung stehe dazu aber wenig Konkretes, mit Ausnahme der erhöhten degressiven Abschreibung. Andere Maßnahmen der Wachstumsinitiative, die darauf abzielten, das Arbeitsangebot im demografischen Wandel zu stabilisieren, seien teilweise sinnvoll, würden aber kurzfristig kaum nennenswerte Wirkung zeigen. Die ebenfalls geplante steuerliche Begünstigung von Zuschlägen für Mehrarbeit lehnen die IMK-Ökonomen „als „Geldverschwendung“ ab, weil sie vor allem Fehlanreize für teure Mitnahmeeffekte setze.

Die Zahl der Erwerbstätigen wird dem IMK zufolge in diesem Jahr zwar um durchschnittlich 0,4% und 2025 um 0,1% zulegen, doch steige zugleich die Arbeitslosigkeit. Die Arbeitslosenquote wird mit 6,0% und 6,1% vorausgesagt. 2023 waren es noch 5,7%. Fortschritte gibt es bei der Inflation, deren Jahresrate 2024 mit 2,3% erwartet wird und mit 2,0% im Jahresmittel 2025.

... Wirtschaftsforschungsinstitute werden folgen

Übereinstimmenden Medienberichten zufolge werden die Zahlen in der am Donnerstag anstehenden Gemeinschaftsdiagnose der fünf führenden deutschen Wirtschaftsforschungsinstitute − Ifo, IfW Kiel, DIW, RWI und IWH − ähnlich aussehen. Das BIP dürfte 2024 das zweite Jahr in Folge schrumpfen, und zwar um 0,1%. Bislang waren noch +0,1% avisiert. Für kommendes Jahr werden 0,8% nach zuvor 1,4% prognostiziert, und 2026 sollen es dann 1,3% Wachstum werden. Angesichts der Konjunkturflaute wird eine Arbeitslosenquote für dieses und nächstes Jahr von rund 6% erwartet, 2026 soll mit 5,7% wieder der Wert von 2023 erreicht werden. Die Fortschritte bei der Inflation beziffern die fünf Institute mit Jahresdurchschnitten von 2,2% und dann je 2,0%. Die Gemeinschaftsdiagnose dient der Bundesregierung als Basis für ihre neuen Projektionen im Oktober, die wiederum die Grundlage für die Steuerschätzung bilden. Im Frühjahr hatte das Bundeswirtschaftsministerium noch ein Wachstum von 0,3% für dieses und von 1,0% für kommendes Jahr prognostiziert.

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